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Ueber die Grenzen de» Naturerkennena. 503
zwar als ewig, unentstanden und unverniehtbar; denn ohne
diesen blinden Glauben könnte er ja den Materialismus
nicht festhalten, wie er ungeachtet seiner Einschränkungen
des naturwissenschaftlichen Erkennens augenscheinlich thut.
Eingeständig vom Wesen der Materie nichts zu verstehen,
meint er nun (was kann er anders als meinen, da er nichts
davon erkennt!), man dürfe nur Materie uud Kraft als
gegeben voraussetzen, so sei, in der Idee (!) die Körperwelt
verständlich. Man darf also nur etwas voraussetzen,
so wird Alles verständlich! So vor Allem, dass das Leben,
das Organische, nichts weiter als ein Zusammentreten unorganischer
Stoffe sei, nichts Superrationales, sondern bloss
ein überaus schwieriges mechanisches Problem. Alles
Organische, natürlich nach diesen blinden Voraussetzungen
mit Einschluss des Menschen, ist nichts als bewegte Materie,
und damit ist bewiesen (!), dass es keine Lebenskraft im
Sinne der Vitalisten gibt. Kaum ist diess gesagt, so wird
doch wieder eingeräumt, dass wir (d. h. der Naturforscher
Du ßois-Rexjim nd und Andere) aufs Neue an einer Grenze
unseres Witzes stehen, wenn wir das Bewusstsein ins Auge
lassen. Denn diess, wird gesagt, ist ein neues Unbegreiliiehe,
und nicht bloss für jetzt, sondern für immer, wird hinzugefügt
. Durch keine zu ersinnende Anordnung oder Bewegung
materieller Theilchen des menschlichen Gehirns
lasse sich eine Brücke ins Heidi des Bewusstseins schlagen,
die niedersten geistigen Vorgänge zeigten dieselbe Kluft
zwischen Bewusstsein und Materie. ,.Nicht mehr als im
Verstehen von Kraft und Materie hat im Verstehen der
Geistesthätigkeit aas materiellen Bedingungen die Menschheit
seit zweitausend Jahren, trotz allen Entdeckungen der
Naturwissenschaft, einen wesentlichen .Fortschritt gemacht.
Sie wird es nie____ Unser Naturerkennen ist also eingeschlossen
zwischen den beiden Grenzen, welche eiueiseits die
Unfähigkeit, Materie und Kraft, andererseits das Unvermögen,
geistige Vorgänge aus materiellen Bedingungen zu begreifen,
ihm ewig vorschreiben. Innerhalb dieser Grenzen ist der Naturforscher
Herr und Meister etc." Und doch will der Redner,
dass der Naturforscher, unbeirrt durch Mythen, Dogmen
und altersstolze Philosopheme, auf dem Wege der In-
duetion (!) seine eigene Meinung (ist das AllesV) über
die Beziehungen zwischen Geist und Materie (also doch
zwei Dinge, und vollends durch eine unausfüllbare Kluft
getrennte) sich bilden soll. Sieht er ja doch, wie der
Redner sagt, in tausend Fällen materielle Bedingungen
das Geistesleben beeinflussen. Also irisch drauf los
Meinungen gebildet; ist ja doch keine Gefahr, dass da
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