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36 Psychische Studien. III. Jahrg. 1. Hett. (Januar 1876.)
Noch einmal Friedrich Nippold's Wiederbelebung
des Hexenglaubens,
Correspondcnt 0. S. & berichtet im Sprechsaal des
„Magazins für die Literatur des Auslandes" Nr. 47 vom
20. November er. S. 688, ebenfalls1 über Friedrich Nippold's
zu Born, Flugschrift: „Die gegenwärtige Wiederbelebung
des Hexenglaubensu fBerlin, Lüderitz, 1875). Er sagt: „Wie
entsetzlich weit der Mensch in seinem Wahn sich verirren
kann, das zeigeu die Hexenprocesse. Ludwig Tieclis erschütternde
Novelle: „Der Hexensabbath" malt eine Zeit,
in der feingebildete Persönlichkeiten die Erneuerung dieser
Greuel für unmöglich erklärten und bald darauf selber dem
Hexenglauben zum Opfer fielen. In unseren Kreise ti lacht
man über die orthodoxen Protestanten, die einen persönlichen
Teufel und seinen Hofstaat, die bösen Geister, für
wahr halten; Nippold weist nach, dass in der katholischen
Kirche die Dämonenlehre ein sorgfältig bearbeitetes Feld
der Wissenschaft bildet, dass den angehenden Priestern in
Konvikten und Seminarien systematischer Unterricht in
dieser Wissenschaft ertheilt wird, dass ein ausführliches,
vom Ordensgeneral der minderen Brüder gutgeheissenes
Speziaiwerk des Dr. Andreas Gassner: „Modus jm?andi afilic-
tos a claemone (Anleitung; den vom Dämon Behafteten zu
helfen)" existirt, und dass so dressirte und abgerichtete
Geistliche fest da^on überzeugt sein müssen, Menschen,
die aa den Teufel nicht glauben, seien bereits von ihm
besessan." Er citirt nun einige Fälle neuaster Hexenprozesse
in Frankreich (1850), in Zweibrücken und in
Mexico (1874), inilachen (J8<5) und aus dem Ober-Elsass,
wo der Bürgermeister eines Ortes, und zugleich Kreisdepu-
tirter, im April dieses Jahres durch Zuziehung eines Hexenmeisters
und eine damit verbundene neuntägige Andacht
seine behexte Frau zu heilen gesucht habe; — „wo derartige
Thatsachen sich begeben", schliesst er, „da ist das
Lachen nicht länger am Ort, und wer nicht, so weit es in
seinen Kräften steht, den Staat unterstüzt, der muss sich
darüber bewusst werden, dass er die Zwecke der katholischen
und protestantischen Dunkelmänner fördert/* — Wenn
nun aber hinter dem sogeuannten Hexenglauben wirkliche
Thatsachen stecken, welche von einer unwissenden Geistlichkeit
falschen Ursachen zugeschrieben, von einer aufklärerischen
Gegenpartei ganz geleugnet oder als ganz natürliche
Erscheinungen erklärt werden, ohne sie zu kennen, •—
müsste man da nicht fast an Pater Gassner's Besessenheit
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