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98 Psychische Studien. III. Jahrg. 3. Heft. (März 1876.)
mus der gelehrten Gesellschaften zu erschüttern beginnen,
unter eine concrete Form zu gruppiren.
Diejenigen, welche noch nicht glauben, Diejenigen, welche
eine wissenschaftliche Formel gefangen nimmt, oder die sich
als Sklaven eines Systems oder einer Lehre fühlen, suchen
vorzüglich die Phänomene, welche sich an die Gesetze der
Physik anschmiegen. Sie haben des Beistandes ihrer Sinne
nöthig, um dahin zu gclaugeü, Etwas für möglich zu finden,
was die Wissenschaft mit Achselzucken leugnet. Es bedarf
eines gewissen Muthes, um sich gegen die Lächerlichkeit
zu kehren und den von Leuten, deren Namu der Menge
imponirt, verbreiteten Leugnungen die Spitze zu bieten.
Man umgiebt sich also mit Grund mit allen erdenkbaren
Vorsichtsmaassregeln, um den Betrug zu vermeiden, und
man registrirt sorgfältig die Eesultate, welche durch die
Sinne bezeugt sind.
Das ist logisch und nothwendig; es ist der erste Schritt
zur ersten Stufe. Es ist die Grundlage alles Anfangs, denn
alle ernste Ueberzeugung bildet sich durch eigene Arbeit.
Die Versicherung eines Anderen ist nur ein Wink, um
eine Probe anzustellen; die persönliche Erfahrung kann uns
nur allein das Siegel der Gewissheit geben.
Aber welches auch der den physikalischen Phänomenen
zugeschriebene Werth sein möge, um einen Glaubensanfang
einzuleiten,, dieser Werth vermindert sich in dem Maasse,
als der Glaube sich befestigt. Die physikalischen Phänomene
bind beschränkt wie die Materie, die sie in Bewegung
setzen. Es werden beinahe immer dieselben sich mani-
festirenden Ausdrücke sein, und das Maximum ihrer Ausdehnung
lässt sich voraussehen.
Ganz anders ist es damit bei den spirituellen Manifestationen
. Sie setzen keinerlei Grenze, denn die Kraft,
welche sie erzeugt, taucht in's Unendliche. Aber sie entgehen
dem materiellen Beweise, und um sie auszuüben, erfordert
ihr Eintreten eine vollständige Unparteilichkeit des
Geistes oder auch den Beginn einer vernünftigen Ueberzeugung.
Der Beweis ist nicht mehr objectiv, er liegt ausserhalb der
Analyse der Sinne. Im Gebiete der Logik, im Bereiche
des Gedankens schöpft4 er seine Zeugnisse, und wie ganz
unwidersprechlich sie auch sein mögen, ihre Annahme lässt
immer eine vorhergehende Bekanntschaft mit ihnen ver-
muthen. Daher wenden sich diese Manifestationen vorzüglich
an Vernunftmenschen; sie sprechen zu deren Herzen, zu
deren Tnteiligenz; sie entrollen ihren Augen Horizonte, an
denen vielleicht die Hypothese leuchtet, aber ihre Seele
allein vermag deren Tiefe zu ermessen.
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