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Dr. M. Funk: Kritische Untersuchung eines sog. „Spukhauses." 109
Beim Nachhausegehn und noch ein paar Stunden, bevor
ich einschlafen konnte, gingen mir alle möglichen Erklärungsversuche
durch den Kopf, doch keiner konnte mich befriedigen
. Und hatte doch ich selbst und meine Frau genug
der unheimlichen Geräusche in S.'s Hause gehört, um von
der Wirklichkeit dieser wenigstens überzeugt zu sein, wozu
noch der seltsame Umstand kam, dass £7s Frau durchaus
nichts davon vernahm! Nur von dem unerklärlichen Oeffnen
der verschlossenen Thüren hatte sie sich heute endlich
überzeugt! — bisher hatte sie es stets auf die Vergesslich-
keit ihres Mannes, die Thüren zu sehliessen, geschoben.
Und dass mehrmals Verwandte von ihr, die in einer der
Schlafstuben übernachteten, fortwährend durch Geräusche,
Oeffnen der Thür etc. erschreckt wurden und in Angst-
schweiss gebadet die Nacht verbracht hatten, während Andere
ebendaselbst gar nichts hörten, hatte sie auch bereits
wiederholt bezeugt.
Mit gespannter Erwartung ging ich am folgenden Abend
nach 5.s Hause. Seine Frau verfügte sich zu Bett, und
wir setzten uns in die hintere, kleinere Schulstube- Völlige
ßuhe und Stille herrschte auf der Strasse, -— um so deutlicher
hörten wir das fortwährende, scheinbar aus einer
andern Welt kommende Klopfen oben auf dem Corridor.
Die Flurthür stand offen, und der Vollmond schien oben
in das Corridorfenster hinein, schräg ander weissen Wand
die Treppe hinunter, doch sass ich mit dem Bücken dahin
gekehrt, Herrn S. am Tische gegenüber. „Jetzt kommt's
die Treppe herunter!" rief S. plötzlich; doch als ich mich
herumdrehte, war nichts mehr zu sehen. S. sagte, er habe
eine schwarze weibliche Gestalt die Treppe herunter kommen
sehen* Ich blieb nun mit dem Gesichte nach der Treppe
gekehrt sitzen, damit mir Nichts entgehe; doch fast eine*
halbe Stunde lang hörte ich nichts weiter als das fast
ununterbrochene Klopfen, bald an einem, bald am andern
Ende des Corridors. — Jetzt! leichte Schritte und
das laute Rauschen eines seidenen Kleides vom entferntem
Ende des Corridors her wurden deutlich hörbar;-----der
schwarze Schatten einer weiblichen Gestalt zeichnete sich
scharf an der Wand bei der Treppe ab und war in demselben
Augenblick verschwunden, und zwar so plötzlich,
dass die den Schatten werfende Gestalt unmöglich weder
zurück, noch durch die, überdiess verschlossene Thür
nach der Veranda weiter gegangen sein konnte. Auch S.
beschrieb die Erscheinung genau so, wie ich sie gesehen
hatte.
Jetzt kam mir der Gedanke, ob wir nicht auf irgend
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