http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1876/0125
IL AbtheUung.
Theoretisches und Kritisches.
Noch einmal David Friedrich Strauss und Justinus
Kerner.*)
Robert Waldmüller bringt in seinem in „ West ermann s
lllustrirten Deutschen Monatsheften" vom Februar 1675
enthaltenen Aufsatze „David Friedrich Strauss" über die
näheren Beziehungen, welche zwischen dem berühmten
Kritiker des Lebens Jesu und dem nicht minder berühmten
Geisterseher und Völksdichter Justinus Kerner vermöge einer
geheimen Wahlverwandschaft, nach welcher „les extremes se
touchent" d. h, die Gegensätze sich berühren, folgende interessante
Notizen bei, welche wir den Lesern unseres Journals
nicht vorenthalten zu dürfen glauben: —
,„ Wie viel mächtiger aber noch wurde bei dem Verweilen
auf den friedlichen Zügen des Entschlafenen das Gemüth
von allen jenen Gedanken berührt, die mit den liäthseln
des Jenseits zusammenhängen! Viele vor ihm haben die
Fortdauer nach dem Tode in Frage gestellt; ganzen Zeiträumen
der menschlichen Geschichte ist sie kein Glaubens-
bedürfniss gewesen; Denker wie Lessing haben sich mit der
Formel: „sein und abwarten" beschieden; Strauss &her mehr
als irgend ein Anderer, von welchem unsere Zeit beeinflusst
wurde, hat als Gewissheit behauptet: „es giebt keine Fortdauer
nach dem Tode; wenn ich aufgehört habe zuathmen,
hat auch mein Dasein im Weltall ein Ende." — Er ist
mit dieser Ueberzeugung aus dem Leben gegangen.**) War
*) Wir verweisen zurück auf unseren Artikel im XL (November-)
Heft 1-71, S 520 ff.
**) Wir müssen dieas nach dem, was Zeller über die letzten
Lebenstage des berühmten Kritikers berichtet, mit Recht in starken
Zweifel zu ziehen. „Nicht gar lange" — so berichtet die „Gartenlaube
" Nr. 4VI 875, Seite 804 — „hatte Stravss in Bezug auf die
Rettungslosigkeit seines Zustandes einer Täuschung sich hingegeben.
Heber seinem Schreibtiscn im Ludwigsburger Wohnzimmer hingen
bezeichnend genug zwei stimmungsvolle Bilder Wächter'si 'der sterbende
Sokrates' und 'Hioh mit seinen drei Freunden1 .... Unter den
zahlreichen Männern und Frauen in der Nähe und Ferne, die den
00jährigen Vorkämpfer der Geistesfreiheit in seinen Leiden nicht ohne
erquickende Zeichen der Hochachtung und des herzlichsten Mitgefühls
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1876/0125