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118 Psychische Studien. III. Jahrg. 3. Heft. (März 1876.)
er im Irrthum und sagt die feingeistige Ruhe dieses Todten-
antlitzes: — „So öffnen sich nun doch vor meinem verklärten
Auge neue Bahnen, auf welchen neue Aufgaben
meiner harren, und des Räthsellösens hat es noch kein
Ende, — wohlan, ich bin es zufrieden und nehme wieder
nach Kräften an dem Kampf um die Wahrheit Theil, wie
ich es hienieden zu thun glaubte!" — oder sagt der Ausdruck
dieses Gesichts: „Ich hatte also Recht, und wie die
welke Pflanze, die zu Staub verwittert, ist es mit mir für
alle Zeit zu Ende!" — ?"< —
Mit dieser fast unwillkürlichen Betrachtung durchwirkt
Wäldmüller die Eingangs beigebrachten kurzen Nachrichten
vom Tode seines Lebenshelden, ehe er auf die
Erzählung seiner Jugend- und Mannesgeschichte übergeht.
"Wir müssen wegen dieser auf den Artikel selbst verweisen
und heben nur so viel daraus hervor, als unserer besonderen
Absicht entsprechend ist.
Strauss wurde 1808 im schwäbischen Städchen Ludwigsburg
geboren, welches unter Anderen auch die Geburtsstadt
Justinus Kerner's (geboren den 18. September 1786)
war. Daher rührte wohl ihre erste persönliche Bekanntschaft
. — Im Tübinger Stift, in welches er aus dem Seminar
von Blaubeuren im Jahre 1825 übertrat, befand sich
auch unter seinen damaligen Lehrern in der Philologie
„neben dem ausgedienten Schott und dem mystischen Dilettanten
Eschenmayer" eigentlich nur Professor Sigrvart. Wir
Hessen, befanden sich auch zwei Fürstinnen: die deutsche Kronprinzessin
Victoria und ihre Schwester, die Prinzessin Alice von Hessen-Darmstadt
. Vergebens aber hoffte die Theilnahnie auf Genesung: um die
Mittagsstunde des 8. Febr. 1875 hauchte der Hartgeprüfte sanft und ruhig
in den Armen des Sohnes (Militairarzt zu Stuttgart) sein Leben aus.
Noch in den letzten Tagen vor seinem Tode hatte er Plato's Phaidon,
oder über die Unsterblichkeit in der Ursprache gelesen, und 'wenn besuchende
Freunde', so schreibt Zeller, jedesmal mit den Empfindungen
von ihm geschieden waren, wie sie uns Piaion am Schlüsse seines
'Phaidon' geschildert hat, so war diess nicht ohne Grund. Denn mit
ähnlicher Fassung und Gesinnung, wie dort der alte, wandelte hier ein
Weiser und Philosoph unseres Jahrhunderts den letzten Weg.'" —
Von dem Bilde des Verklärten, das der „Gartenlaube" Nr. 44/1875
beigefügt ist, während Nr. 9/1874 das Bild des Lebenden gebracht hat,
sagten alle Zeugen, dass er nach seinem Hinscheiden dagelegen „wie
ein Schlummernder, die Züge des Antlitzes von überwältigender
Hoheit." — Wer die „Philosophie des Todes" aus A. J.
Davis1 Werk: „Der Arzt" (Leipzig, Oswald Mutze, 1873) kennt,
wird vielleicht auch dem daselbst Seite 163 angeführtem Grunde für
eine solche Verklärung im Tode geneigtes Gehör schenken: — „Und
wenn der Körper seinen letzten Besitz aufgiebt, so drückt sich ein
Lächeln dem Antlitz auf, welches schon an sich ein Zeichen jener
glänzenden und strahlenden Schönheit ist, die des Geistes Heimatb
durchzieht!"— Der Eeferent.
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