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154 Psychische Studien. III. Jahrg. 4. Heft. (April 1876.)
vor meinem Bette gehört!"— „Das ist jedenfalls bloss der
Anfang," entgegnete ich, — „passen Sie auf, bald wird es
ärger kommen!" Und es kam ärger! Schon die folgende
Nacht wurde er fortwährend wach gehalten, theils durch
laute Schläge wie mit einem Eisen auf den Kaminrost, —
wie mit einer Faust^ gegen den Kleiderschrank neben dem
Bett, theils durch ein Geräusch, als ob manchmal in der
Stube, manchmal auf dem Zinkdache des Hauses Erbsen
ausgeschüttet würden. Täglich kam es ärger! Das Seufzen
und Stöhnen, (was ich selbst jedoch seit dem ersten
Abend nie wieder gehört habe,) trieb S. mitunter fast zur
Verzweiflung, so dass er einst in meiner Gegenwart ausrief
: „Sag mir deutlich, was Du willst, und lass das furchtbare
Wimmern, sonst werde ich einmal mit dem Revolver
nach Dir schiessen!" Ich gab S. zu bedenken, dass Geister
nach keiner Pistole fragten und er die Sache dadurch nur
noch schlimmer mache; denn selbst bei Tage behauptete
er oft das Geräusch wie vom Erbsenausschütten zu hören.
Hierlür habe ich freilich nur seine eigene Aussage, doch
schien sie mir glaubwürdig, da ich das Klopfen mitunter
selbst vernahm. Eines Tages erzählte mir 5., dass der
Geist jetzt nur von 5 bis 9 Uhr Morgens das Haus ver-
liesse; mit Klopfen melde er sich an, und mit Klopfen
wieder ab.. Ich lächelte ungläubig, — da klopfte es etwa
3 Schritte von uns auf der Treppe, und als wir nach der
Uhr sahen, war es Punkt Neune! — Ich beschloss jetzt
selbst Erkundigungen einzuziehen, da S. durch Nichts dazu
zu bringen war. Bei X., dem hinterbliebenen Gatten der
Frau konnte ich das begreiflicher Weise nicht gut thun;
doch ging ich unter dem Vorwand, ein paar Schuhe zu
kaufen, zu ihm, um ihn einmal zu sehen; auf dem Geschäftsschilde
stand der Name H. TV. L . . ♦ Er war ein äusserst
unheimlich aussehender Mensch mit lauernd, hinter einer
grossen Brille hervorschielendem Blick, aus welchem der
Argwohn eines bösen Gewissens zu sprechen schien, weshalb
ich selbst nicht die gleichgültigste Frage an ihn richten
mochte. Ich wusste nicht, wo ich mich wegen Erkundigungen
hinwenden sollte; — da kam ich eines Tages bei einem
hübschen, mit einem zierlich eingezäumten Vorgarten versehenen
Hause vorbei, und las an dem Klingelschilde:
J. F. L . . . Ich klingelte; eine ältliche Frau öffnete mir.
„Ich suche einen gewissen /. L." redete ich sie an, „an den
ich einen Auftrag habe; da ich weiter keinen Anhaltspunkt
habe, so entschuldigen Sie wohl, wenn ich Sie frage, ob
ich hier vielleicht den Rechten gefunden habe?" Die Frau
antwortete: „J, hiess mein verstorbener Mann, aber auch
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