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172 Psychische Studien. III Jahrg. 4. Heft. (April 1876.)
tualismus um vieles näher trat. Krause fand sieh durch
seine ganze monadologische Richtung von vornherein veranlasst
, tiefer auf die Untersuchung der magnetischen und
somnambulistischen Erscheinungen einzugehen. Schopenhauer
hat trotz seines Atheismus nicht umhin gekonnt, jene Erscheinungen
unter merkwürdige Beleuchtungen zu stellen.
Er würde in diesem Gebiete Hervorragendes geleistet haben,
wenn seine negative oder wenigstens zweideutige Haltung
in der Unsterblichkeitsfrage ihm nicht Fesseln angelegt
hätte. Baader dagegen hat fast alle Haupt- oder G-rund-
lehren des neueren Spiritualismus vorausgenommen. Wenn
nun die Nachfolger unserer grossen Philosophen sich dem
neueren Spiritualismus, wie er von Amerika her in eine
neue Phase getreten ist, sich theils ablehnend, theils (und
grösstentheils) sehr zurückhaltend benommen haben, so ist
es um so bemerkenswerther, dass der geistvolle Veteran der
lebenden namhaften Philosophen, /. H. von Fichte, der
wahrheitgehaltreichere Sohn des grossen kühnen Idealisten
/. G. Fichte, sich offen und entschieden zu Gunsten des
neueren Spiritualismus ausgesprochen hat: ein Ereigniss,
welches von bedeutenden Folgen begleitet sein wird. Die
Erklärung /. ff. v. Fichte'$ ist hervorgetreten in der kürzlich
erschienenen dritten (erweiterten) Auflage seiner berühmten
Anthropologie,*) welche den Rang eines Meisterwerkes
beanspruchen darf. Unsere Zeitschrift muss die umfassende
Kritik dieses genialen Werkes andern und fachwissenschaftlichen
Zeitschriften überlassen und sich auf dasjenige
beschränken, was ihrem Programm entspricht. Aber eine
kurze Uebersicht das Werkes muss unseren Betrachtungen
vorausgeschickt werden. Das Werk gliedert sich, in meisterlicher
Architektonik, in drei Bücher. Das erste: „Kritische
Geschichte der Seelenlehre", behandelt in sechs Kapiteln:
4. Allgemeine Vorbegriffe, 2. die spiritualistischen Lehren,
3. der Materialismus, 4. die Psychologie der Identitätslehre
(pantheist. Monismus), 5. PsychoL des realist. Individualismus,
6. kritische Gesammtergebnisse etc. Das zweite Buch: },Das
allgemeine Wesen der Seele", verbreitet sich in fünf
Kapiteln- 1. über das Keale und seine Grundeigenschaften,
2. über die Atomistik und die metaphysischen Construk-
tionen der Materie, 3. über die Seele und ihre Verleib-
lichung, 4. über die leibliche Vergänglichkeit und die Seelen-
*) Anthropologie. Die Lehre von der menschlichen
Seele. Begründet auf naturwissenschaftlichem Wege für Naturforscher,
Seelenärzte und wissenschaftlich Gebildete überhaupt. Von Immanuel
Hermann lichte. Dritte vermehrte und verbesserte Auflage. (Leipzig,
Brockhaus, 1876.)
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