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Dr. K.Hase: Eine literarische Besprechung der Geschichte Jesu« 221
Voraussetzungen eine wahrhafte Ethik abzuleiten. Aber
auch die Logik geht ihr in die Brüche und verwandelt sich
in ein Vorstellungsgespinnst, welches kaleidoskopartig unwillkürlich
je nach der Oomplication der Gehirnatome, denen
die Vorstellungen entschwitzen, gleichgültige Gedankenfigur
ationen wechselt, von denen man nicht wissen kann,
wie hell oder dunkel, wie klug oder dumm, wie zutreffend
oder nichtzutreffend sie ausfallen mögen, bis sie so oder
anders da sind. Wahr und falsch, gut und böse, schön
und hässlich sind gleichwerthig, weil unausweichlich deter-
minirte Vorstellungsweisen der bewussten Atomencomplexe,
der Maschinen, die wir Menschen nennen.
(Schluss folgt.)
Eine literarische Besprechung der „Geschichte Jesu."
Nach akademischen Vorlesungen v.Dr. KarlJIase.
(Leipzig, Breit köpf & Härtel 1876), VIII, 612 S, gr. 80, 9 Mark.
in „Die Grenzboten" No. 3 vom 14. Januar 1876
bringt einen höchst anregenden Auszug aus dem Paragraphen
des oben genannten Werkes, welcher das sog. Hauptwunder
im Leben Jesu, seine Auferstehung beleuchtet
„Durch das Zeugniss des Apostels Paulus", berichtet
Referent,*) „steht fest, dass die ersten Christen überzeugt
waren, ihr Herr und Meister sei von den Todten auferstanden.
Es fragt sich nur, auf welchem Wege sie in ihrer an ihm
irre gewordenen Trostlosigkeit zu diesem begeisterten Glauben
gelangt sind. Bei Paulus scheint diess klar: die plötzliche
Umwandlung, durch welche der Rabbi Saul wider seinen
AVillen von der Geistesmacht des Ohristenthums ergriffen,
und aus einem Verfolger desselben sein grösster Apostel
wurde, ist ihm zu einer Erscheinung Christi selbst, zum
Traum eines Wachenden, zu einer Vision geworden. Die
moderne Erklärung hat Aehnliches auch bei den Jüngern
angenommen. In ihnen sei nach dem ersten Schrecken das
alte Vertrauen auf ihren Herrn wieder mächtig geworden
als Hoffnung, class sein messianisches Werk noch unverloren
sei und Gott seinen Heiligen nicht in der Unterwelt lassen
werde. Und so sei der Gedanke riesenhaft gewachsen, dass
der Gekreuzigte nicht todt sei, und habe sich in der Auf-
*) Welcher uns kein Anderer, als der sinnige Herausgeber der
„Orenzboten" selbst, Herr Advokat Du Bans Blum, zu sein scheint, —
Der Berichterstatter.
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