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236 Psychische Studien. III. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1876.)
Verfalls des Protestantismus" ist. Es giebt nach ihm nur
zwei Auswege: entweder Rücktritt zum "Katholizismus, oder
Fortschritt zum modernen Spiritualismus. Der halbe Mittelweg
ist bereits durch die schlagendsten geschichtlichen
Thatsachen verurtheilt.
ff) In einer literarischen Besprochung der Uebersetzung
des jüngst bei Weber in Leipzig (1876) erschienenen Buches:
„Der Tag nach demTode oder das zukünftige
Leben nach den Korschungeu der Wissenschaft
von Louis Hguier, deutsch von M Busch", in den
„Grenzboten" Nr. ß vom 4. Februar 1876 heisst es,
dass die alte ffamlefs-Fr&ge: Sein oder Nichtsein nach dem
letzten Athemzuge, persönliche Fortdauer oder Erlöschen
des Geistes und Verwehen des stofflichen Theiles unseres
Wesens in die allein unvergängliche Materie, zwar für die
Gläubigen gelöst sei, aber noch nicht für die "Wissenschaft,
die sich noch darüber streitet. Kein Theil lasse sich von
dem andern überzeugen; weil in der That keiner bis jetzt
vollkommen genügende und unwiderlegbare Gründe für
seine Ansicht von der Sache vorzubringen in Stande war.
Bei dieser Ungewissheit werde jeder Versuch, die Frage zu
lösen, der sie auf eine neue Art angreift, auf Theilnahme
rechnen können, wie das Original beweise, das bereits 6
Auflagen erlebt und aus dem Französischen ins Englische
übersetzt sei. Es betrete wirklich einen neuen Weg, indem
der Verfasser zwischen dem Unsterblichkeitsglauben und
der neueren Naturwissenschaft, deren Entdeckungen ihm
ziemlich geläufig sind, eine Art Mittelstrasse einschlage und
insbesondere auf die Transmutationstheorie Rücksicht nehme,
die er vom Stofflichen auf das Geistige überträgt. „Dieser
Gedanke, die Naturwissenschaft zur Lösung der Frage
heranzuziehen, scheint uns kein übler und es dünkt uns",
sagt der Referent der Grenzboten, „als ob in späterer
Zeit, wenn mehr Material von dorther vorliegt, eine neue
Auffassung der Sache bessere Resultate haben könnte." —
Wir glauben, Derselbe würde in der wissenschaftlichen
Literatur des modernen Spiritualismus diesen Gedanken
einer exaeten Naturbeobachtung gewisser psychischer Phänomene
längst ausgeführt und noch weit besser begründete
Theorien finden, als die doch etwas zu phaatasiereiche Hypothese
Fiffuiers, nach welcher unsere Seele ihren Entwickelungs-
kreislauf mit ihrem Keim in einem Sonnenstrahl beginne,
der auf die Erde befruchtend falle. Warum sind nicht
auch die Strahlen aller übrigen, sicher mitwirkenden Gestirne
dabei zu Hilfe genommen? Und woher stammt der
Keim?
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