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258 Psychische Studien. III. Jalirg. 0 Heft. (Juni 1876.)
Manifestationen von Dr. med. Robert Ilare" (Leipzig,
1871) ausführte, — „Fichte bis daliin ebenso wenig, wie Perty
und Schindler, derartig hochbegabte Seher und Medien
kennen gelernt hatte, wie z. B. Davis und die Medien Hare's
sind." Zu meinem Bedauern glaube ich aus vorliegender
Anmerkung schliessen zu müssen, dass Fichte dieselben auch
heut' noch nicht anders als nur vielleicht dem Namen nach
zu kennen scheint, da er derselben nirgends erwähnt.
Wenigstens von Davis und seinen Werken hätte er doch
sonst wohl in seinem Kapitel „über das Hellsehen und die
Ekstase" eine nachträgliche Notiz genommen, da Davis von
allen Sehern und Ekstatikern der Neuzeit imstreitig der
über Böhme und Swedenborg Hinausragende ist. Es giebt
keine zweite Selbstbiographie eines Sehers in der ge-
sammten Weltliteratur, welche z.B. &i\DavtJ „Zauber st ab"
(Leipzig, 1868) auch nur hinanreichte. Und Fichte stützt
sich nur auf die weit weniger bestimmten und halbverschollenen
Berichte eines Werner. Ennemoser, Passavant,
Kerner, u. A., welche nicht eigene psychologische Selbstbeobachter
dieser Zustände waren wie Davis, sondern
nur über Andere berichteten, und zieht nach ihnen seine
Schlüsse. Es würde uns geradezu als ein Vorurtheil erscheinen
müssen, wenn er Davis absichtlich, weil vermeintlich
nichts mehr Neues enthaltend, hätte ignoriren wollen,
da er ihn doch aus M. Periy's „Die Mystischen Erscheinungen
der menschlichen Natur," 2. Aufl.,
die er selbst als von entscheidender Bedeutung bezeichnet
und empfiehlt, in seiner Eigenart kennen gelernt haben
müsste, wenn er auch nicht durch uns in den Besitz der
Davis'sehen Werke selbst gelaugt sein sollte, soweit wir
dieselben in Uebersetzungen edirt haben.
Doch es würde uns nicht ziemen, mit ihm darüber
rechten zu wollen, wenn wir nicht seinen uns sonst so vielfach
entgegenkommenden Urtheilen die beweiskräftigsten
Unterlagen wünschten, die wir ihm durch unsere Arbeiten
gern an die Hand geliefert sähen. Wenn diese Sache, wie
er selbst so schön als treffend sagt, nicht mit gewohnheits-
mässigem Ignoriren abgethan werden kann, so ist es eben
Pflicht, den Thatsachen selbst, gleichviel ob sie den herrschenden
Vorstellungen bequem sind oder nicht, ein Bürgerrecht
einzuräumen im Gebiete der zu erforschenden psychischen
Thatsachen, und zwar um so entschiedener, als sie
gerade mehr als alle andern, geeignet sind, den engen
Horizont unserer Begriffe über das Wesen und Vermögen
des Menschengeistes zu erweitern und seine Erforschung in
neue Bahnen zu lenken!
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