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Fichte's Anmerkung seiner Anthropologie über psychische Kraft. 263
Wir können uns Herrn Fichte's ablehnendes Verhalten
gegen die Beweise des modernen Spiritualismus, wie sie
ihm gerade vorgelegen zu haben scheinen, nicht anders erklären
als dadurch, dass er seine „Anthropologie", welche
lange vor dem Jahre 185G entworfen und in dem genannten
Jahre erst erschienen ist, nicht nach den neuen Beweisen
habe umarbeiten wollen; sonst hätte er ihnen nach seinen
eigenen Worten ein volleres Bürgerrecht einräumen müssen
im Gebiete der zu erforschenden psychischen Thatsachen.
Er steht ja schon 1856 auf dem Standpunkte, sich mit unbefangenem
Urtheil dahin auszusprechen, „dass — eine Portdauer
der Seelen überhaupt vorausgesetzt, deren Realität
im Zusammenhange seiner gewonnenen und dargelegten
Weltansicht wohl kaum mehr beanstandet zu werden vermöchte
, — nichts natürlicher erscheine als die Möglichkeit
fortdauernder Gemeinschaft zwischen den sinnlich
Lebenden und den Abgeschiedenen, die ja
Einem Geistergeschlechte und, tiefer erwogen, auch einer
und derselben Welt angehören, (8. 369—370 der
„AnthropoL") Aber unmittelbar daran schliesst sich auch
derjenige frühere Ausspruch Fichte's, welcher ihn eben die
neueren spiritualistischen Manifestationen, die dieses sein
damaliges Vor-Frtheil umstossen, nicht anerkennen lassen
will; er sagt: -- „Nur dessen wird die besonnene Wissenschaft
immerdar sich weigern, ja sie wird darin eine entschiedene
Absurdität erkennen, diese Gemeinschaft in der
gewöhnlichen Weise sinnlicher Vermittelung zu denken,
einen entleibten Geist wirklich „gesehen<fc, „gehört" (ja „gerochen
") werden zu lassen,*) weil dazu alle Bedingungen
nicht nur fehlen, sondern weil das Gegentheil dieser Bedingungen
eingetreten ist. Soll überhaupt ein Verkehr
*) Man erinnere sich in letzter Beziehung der Erzählungen in
J. Korneas „Seherin von Prevorst" und in »einem „Magikon."
Wenn irgend etwas auch den HtarkgJäubigsten davon überzeugen
kann, dass bei jenen Apparenzen subjective Erregungen, Sinnen-
hallucinationen mit Einem Worte, im Spiele sind, so ist es die
Empfindung von „Modergerüchen," welche die Erscheinung besonders
unseliger Geister begleiten soll. Welche Unmöglichkeiten wären zu
tiberspringen, um dergleichen Empfindungen objective Kealität beilegen
zu können! - So Fichte. Wir abei müssen wohl oder übel
uns den Thatsachen fügen, welche Kerne?* damalige Beobachtungen
als sinnentäilig richtig bestätigt haben. Wenn ich z. B. im Traume
gebackenes Obst esse und ich - wie mir geschehen — mit einem
süss-säuerlichen Obstgedchinacke im Munde erwache, so ist das doch
ein objectiver Beweis meines ebenso objectiv gehabten Traumes.
Wenn ein meist für unwirklich gehaltener Traum dergleichen sinnliche
Erregungen erzeugen kann, warum könnte das nicht auch eine
wirkliche geistige Apparcnz?!
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