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Ifudson-Tuttle: Die wissenschaftliche Richtung des Spiritualismus. 341
Macht durch Myriaden von Zeitaltern gearbeitet, vom kosmischen
Nebel zur kugelförmigen Erde; von der glühenden
Lavakruste zu blühenden Feldern; von Protoplasmen zur
Monade, von dieser durch zahllose Reihenfolgen lebendiger
Wesen zum Mensehen; vom thierischen "Wilden bis zum
civilisirten Menschen der Gegenwart, mit dem Endresultat
des gänzlichen Verschwindens dieses ihres höchsten Produkts
, und im Strome des Zeitlaufs keine Spur am Ufer
des Lebensstromos zurücklassend, als die Trümmer und
Ueberreste der Strömung?
Tst die mit unbegrenzten Fähigkeiten, zarten Gemüths-
bewogungen, tiefer Sehnsucht unwandelbarer Zuneigung ausgestattete
Seele nur zum Elend und Verderben geschaffen?
Wenn der Mensch unsterblich ist, sollte er sich seiner Bestimmung
nicht bewusst sein? Hastig wird diese Frage bejaht, und
sein Zweifel beweist eben, dass der Tod das Ende seiner Existenz
ist. Aber er zweifelt und hofft, und aus dieser Hoffnung
entspringt die gewaltige Reaktion des modernen
Spiritualismus gegen den Materialismus. Und indem die
Führer der Materialisten, wie „Büchner" und „Voigt" einen
Halt im weitern Vordringen gemacht, haben die weniger Ueber-
zeugten jeden kleinsten Schatten eines Beweises begierig ergriffen
, weil noch niemals ein Materialist gelebt, der nicht gehofft
und die Beweise der Unsterblichkeit gern angenommen hätte.
Der Spiritualismus kam, um einem Zeitbedürfnisse abzuhelfen
. Die alte Tieligion ist in der Auflösung begriffen,
oder todt. Diejenigen, welche behaupten, dass sie noch
lebt, wissen recht wohl, dass die Lebenszeichen derselben
das Resultat galvanischer Zuckungen — der nachgeahmten
Lebensmomente sind. Stolz maasst sich die Wissenschaft
das Gebiet des Denkens an und ist entzückt über eine
gänzlich sinnliche Methode. Die Materie und die Kräfte
derselben sind Alles in Allem. Die Waage und der Schmelztiegel
müssen in Allem den Ausschlag geben. Der Geistliche
, von Allen am unwissendsten, predigt des Sonntags
ein Kauderwelsch aber die Leiche des Glaubens, in einem
abgestorbenen "Weinberge arbeitend, die Wissenschaft verspottend
, welche er nicht begreift. Der Mann der Wissenschaft
(man of science) verachtet die Religion, welche ihm
als ein verdunkeltes Hinderniss erscheint, das Erkennen
der nach Wahrheit Strebenden zu verhindern, und erklärt
deswegen alles nicht durch die Sinne Wahrnehmbare für
abergläubiges Geschwätz.
Die Gegenwart ist für eine Veränderung vorbereitet.
Die veralteten Ansichten sind abgenutzt. Die neuen Methoden
"" des Denkens fühlen sich in den alten Schranken
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