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Erfahrungen eines Deutschen im Spiritualismus in England. 345
grösstenteils in seinem Hause ich die schönsten Jahre
meines musikalischen Lebens verbrachte« Ich sehe deutlich
sein begeistertes Antlitz vor mir, als er von dem „Wunder
einer neuen Enthüllung" sprach! — Ich wagte keck meine
frisch gewonnene Weisheit und meinte: 'würden Geister so
lächerliche Mittel der Kundgebung wählen?' — „Warten Sie
doch Junger Freund/4 sagte er, fast gereizt; „klimperten Sie
nicht auch erst, bis Sie ordentlich spielten, ist denn eine
Tonleiter schon Musik? Ja," fuhr er erregt fort, „geben Sie
Acht, wir werden Wunderdinge sich hieraus entwickeln
sehen!" — Ich erkenne jetzt, er sprach wie ein Prophet,
und ich bin überzeugt, er war ein Medium — wenn ich
seine weitern Mittheilungen ins Gredächtniss zurückrufe.
Wie in einem Blitz fühlte ich meinen ersten Eindruck
aufleuchten, und ich muss dieses Zwiegespräch mit diesem
hohen bewunderten Künstler hier als höchst wichtig anführen
, weil hierdurch eine Auffassung bei mir zur vollen
Kraft kam, die vielleicht lange unter dem Einfluss
modischer Ansichten verkümmert worden wäre. Die
persönliche Bekanntschaft aber mit manchem kräftigen
Hebel der Kunst sowohl, wie Wissenschaft, leitete mich auf
eine Bahn, wo die Beobachtung von Erscheinungen, die in
ihrem Wesen so entgegengesetzte Elemente bieten, mit
grossem Nutzen verfolgt werden konnte. —
Als ich die eigentlichen spirituellen Erscheinungen
näher kennen lernte, sah ich bald, dass willige Annahme
der vorgeschriebenen Bedingungen eben so wenig, als eigenmächtig
erdachte Prüfungsmethoden, zu sichern Schlüssen
führen konnten. Die sich stets an Scharfsinn überbietenden
neuen Prüfungsvorschläge deuteten mehr auf Verfolgung
des Mediums als auf Wahrheit hiu, denn ohne Erklärung
für das bereits Geschehene gefunden zu haben,
sann man auf neue Fall - Schlingen, bis es zur förmlichen
Manie ausartete und ich mit Glück die Bezeichnung: „test-
maniacs (Prüfungsnarren)" einführen konnte. — Wenn ein
sensitives Medium schon eine halbe Stunde vor der Sitzung
die schmeichelhafte Behandlung wie die eines Spitzbuben
erdulden muss, verfliegt gewöhnlich die grösste Kraft, und
nur wenige robuste oder wissenschaftlich gepanzerte Medien
widerstehen solchen Maassregeln; aber glücklicher Weise
giebt es deren genug, sich wenigstens an der Verwirrung
der überraschten Zweifler zu ergötzen — oder zu ärgern,
je nach Umständen. Wenn nun die wissenschaftliche Pedanterie
zerstörend wirkt beim Anfange, so zeigt sich
der Einfluss noch nachtheiliger im Verlauf der Erscheinungen,
die in freier Entwickelung oft so mächtige Steigerung
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