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Kurze Notizen.
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Hülfe. Da — mitten im heftigsten persönlichen Kampfe
— kracht ein Schuss, Guido sinkt um, auch Tiefenbach wankt*
Die Kugel, welche die Brust des jungen Barons durchbohrte,
ist in seine Seite gedrungen. Ein paar Leute springen
hinzu; der eine führt Tiefenbach bei Seite, zwei andere legen
Guido neben ihm nieder — dann stürzen sie sich sammt den
Uebrigen mit verdoppelter Wuth auf den Feind . . ♦ Das
Wäldchen ist vom Feinde gesäubert, aber Der, welchem
der Befehl geworden, weiss es nicht. Röchelnd liegt er im
Moose; sein Kopf ruht auf Tiefenbaclis Knie, der, nur für
den Freund besorgt, nicht das Blut beachtet, das an seinem
verwundeten Arm herunterrieselt, nicht den brennenden
Schmerz in seiner Seite fühlt* Das Antlitz Guidos ist bleich,
seine Augen sind geschlossen, aus den geöffneten Lippen
fliesst leise das Blut Noch ist Leben in ihm: die Brust
hebt sich schwer, und der Puls der Hand, welche Tiefenbach
gefasst hält, schlägt matt. Auch Tiefenb&ch fühlt seine
Kräfte schwinden; sehnsüchtig schaut er nach den Krankenträgern
aus — dort nahen sie, und ihr Anblick wirkt neubelebend
auf den Schwerverwundeten. „Hierher, Leute,
hierher!" ruft er, so laut er kann. Da öffnet Guido die
Augenlider und starrt mit bewusstlosem brechendem Blick
in das schmerzverzerrte Antlitz des Freundes. „Irenel"
hauchen kaum hörbar die Lippen des Sterbenden. Noch
ein krampfhaftes Zucken des ganzen Leibes, ein heftiger
Blut ström aus dem bleichen Munde — und die schöne Seele
des Jünglings steigt empor über die rauschenden Wipfel
der Kiefern, über den SchJ achtendampf, der ringsum wogt."
-----Und solchen Wahnsinn kann zum Verdruss des
Correspondenten der „Gartenlaube" auch einer der tüchtigsten
deutschen Romanschriftsteller seinem Lesepublikum bieten?!
Wir könnten in der That mit jenem an dem gesunden Sinn
desselben verzweifeln und irre werden, wenn wir es nicht
schon ein wenig besser wüssten, was Wahn und Phantasiegebilde
ist. Gott gebe dem Correspondenten keinen Sohn,
der einen solchen Schlachtentod stirbt, sondern höchstens
einen, dessen Herzblut und Nervenströme gleichgültig für
ihn in Staub und Erde verrinnen!
W.
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