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438 Psychische Studien. III. Jahrg. 10. Heft. (October 1870.)
könnten. Was nun die schreibenden Medien anbelangt,
stehe ich nicht nur auf dem Boden der eigenen Anschauung,
sondern ist es fast Jedem möglich, diese Erscheinungen
selbst zu beobachten, wofern er hinlänglich mit Geduld ausgerüstet
ist. Ich werde den ersten Fall etwas ausführlicher
schildern, um das Unabsichtliche des ganzen Vorganges in
das gehörige Licht zu stellen, und weil meines Wissens
über diese Dinge keine ohjective Darstellung existirt; hingegen
findet man in Schopenhauer's Parerga über das G eister-
sehen sehr treffende Bemerkungen, weshalb ich diesen Gegen-
stand auch oberflächlicher berührte. Diese Gattung Medien
scheinen Schopenhauer unbekannt gewesen zu sein.
Es war im Monate Jänner des Jahres 1857, als mich
ein Freund zu einer Tanzunterhaltung auf sein Landgut
einlud. Ich verliess meinen damaligen Wohnsitz in Begleitung
zweier Personen, und fuhren wir im hohen Schnee
und heiteren Sinnes nach dem zehn Meilen entfernten
Schlosse O • . . .
Der Abend war bereits hereingebrochen, als wir uns
dem Schlosse näherten, dessen ruhiger und unbeleuchteter
Zustand uns einigermaassen befremdete. Die erste Nachricht
, die wir vernahmen, war die der Abwesenheit der
Besitzer und Festgeber, die auf telegraphischem Wege an
das Sterbebett ihres nächsten Verwandten nach Wien abberufen
wurden. In der Eile der Abreise wurden die
Absageschreiben nur an je eine Person der verschiedenen
Gegenden zur weiteren Verbreitung gerichtet, und durch
eine Confusion jener Mittelsperson, die uns die Nachricht
hätte zukommen lassen sollen, wurden wir nicht rechtzeitig
in Kenntniss gesetzt. Es blieb nichts übrig, als zu übernachten
und den andern Tag die Rückreise anzutreten.
Doch auch diesmal wurden wir in unseren Hoffnungen
getäuscht. Der immer höher werdende Schnee und die
Müdigkeit der Pferde verzögerten die Fahrt derart, class
wir den Entschluss fassten, in B . . . einem nahe an der
Strasse gelegenen Schlosse, die bei uns übliche Gastfreundschaft
in Anspruch zu nehmen, wenngleich weder ich noch
meine Gefährten jemals den Fuss in dieses Schloss gesetzt
hatten und ohne diesen Zwischenfall es auch nicht betreten
hätten. Wirthshäuser, die halbwegs bewohnbar wären,
gibt *s bei uns keine, höchstens Weinschänken, und doch
mussten wir vor dem immer ärger werdenden Wetter
flüchten.
Die Besitzerin des Schlosses, Gräfin /?..., war uns
kaum bekannt, und haben verschiedene Umstände, trotz
der geringen Entfernung von nur drei Meilen unserer
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