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442 Psychische Studien. III. Jahrg* 10. Heft. (October 1876.)
Mit der grossen Thätigkeit der Geisterwelt wurde ebenfalls
das abergläubige Element erregt. In Prankreich wird die
abgeschmackte (dead) Lehre der Seelenwanderung wieder
aufgewärmt, unter der Benennung: Reincarnation, und in
den Vereinigten Staaten sind einige hervorragende Parteiführer
, geblendet durch den "Wiederschein eines neuen Horizonts
, beschäftigt, den Staub von den veralteten Schriften
der Magier zu kehren, und verkünden die abenteuerlichen
Phantasien der Greisterbeschwörer (theurgists) als die Gre-
sammtweisheit der Zeitalter.*)
Schwerlich hat irgend eine andere Bewegung grössere
Lasten zu schleppen gehabt, ohne eigentlich dafür verantwortlich
zu sein; und keine hat solch einen Ballast von Betrügerei
und Schurkerei getragen, noch andererseits tiefdenkendere
und aufrichtigere Menschen zur Thätigkeit veranlasst
.
Zwei bedeutende, fast lebensgefährliche Irrthümer wurden
von Denjenigen begangen, welche den Spiritualismus frühzeitig
anerkannten: Erstens, dass er eine Religion sei, und
Zweitens, dass er sich nothwendig mit allen Reformen
befasse.
Ein Irrthum war es, erstlich: dass die frühesten Bekenner
in unklarer Weise versuchten, denselben in eine
Religions - Gesellschaft (Organisation) zu zwängen. Sie betrachten
den Spiritualismus als eine verbesserte Auflage des
Christenthums, wie letzteres die des Judenthums ist.
"Wir wünschen keine Ausdehnung des Christenthums.
Wir wünschen den jungen Wein nicht in alte Schläuche
gefasst. Wir können uns nicht überzeugen, dass es das
Beste ist, wenn derselbe eingekorkt wird.
Alles, was wir von Religions-Gesellschaften, Predigern,
Zwischenträgern und Zwischenläufern verlangen, ist, was
Diogenes von Alexander forderte: „Lass mich ungehindert die
Strahlen der Sonne gemessen."
Das gänzliche und kümmerliche Misslingen aller or-
ganisirten Gesellschaften beweist das Unpassende derselben,**)
*) Wir können uns dieser Ansieht schwerlieh anschliessen. Die
sog. Occultisten, welche hier gemeint sind und deren Bestrebungen
wir schon anderwärts in Dr. Bloede's jüngstem Artikel besprochen
finden, dürften mit ihrem Werke „Art magic oder Zauberkunst" nur
zu zeigen beabsichtigt haben, was auf diesem Gebiete in früheren
Zeiten schon geleistet worden ist. Auch diese historische Richtung
hat ihre gewisse Berechtigung. — Die Redaction.
**) Unserer Ansicht nach beweist es nur die vorläufig noch nicht
genügend harmonische Uebereinstiinmung und Characterbildung ihrer
Mitglieder. Es wäre traurig, wenn in der Welt keine Organisation
möglich wäre — alle Erziehung der Menschheit und alle Staaten-
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