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Was ein hoher protestantischer Geistlicher flir Spuk ansieht. 459
des poetisch visionären Schattens mit im Spiel. Das Spiel
wird aber immer wieder verunreinigt durch das immer stärkere
Mitspielen der Eitelkeit und eines tendenziösen Bowusstseins.
Daher ist es auch sehr erklärlich, dass in der gegenwärtigen
Zeit des Kulturkampfes die Zahl der Visionärinnen, selbst
der Stigmatisirten, in bedeutendem Maasse zunimmt. Nicht
minder aber ist es naturgemäss, dass auch die Kritik mit
verhältnissmässigen Beleuchtungen hervortritt. So ist man
denn auch neuerdings wieder auf einen der eklatantesten
.Fälle, die Geschichte der Dülmener Nonne Catharina Emmerich
zurückgekommen. Der westphälische Landrath C. v. Bönninghausen
hat in seiner Schrift: „Geschichte und vorläufige
.Resultate der Untersuchung über die Erscheinungen der
ehemaliger Nonne A. C. Emmerich zu Dülmen (Hamm 1819),"
gestützt auf die Ermittelungen einer grossen Untersuchungskommission
, erklärt: dass die Nonne eine Betrügerin sei,
sei auf unzweideutige Thatsachen gegründet. Es sei aber
gewiss, sagt der weitere Bericht in der westphälischeu Pro-
vinzialzeitung (August 1874), dass die «Jungfrau Emmerich
wenigstens nicht ohne Mithelfer gewesen. — Die Nutzanwendung
auf unsere Zeiterscheinungen liegt nahe. Doch
wird die moderne Philosophie des Unbewussten hier einiger-
maassen am Platz sein. Uebrigens bemerken wir, dass hier
nur von dem spezifischen Spuk die Rede sein soll ohne
weitere Oonsequenzen, nicht einmal gegen die Möglichkeit
von Geistererscheinungen u. s. w," —
Wenn wir nun noch die folgende Ansicht des Herrn
Verfassers herausheben, wo er sagt: — „Verständigen wir
uns zuvörderst über das Wesen oder Unwesen des Spuks.
Der Begriff des Gespenstes setzt die Vorstellung einer
Geister er scheinung oder doch des unheimlichen Her einspielen s
einer jenseitigen Macht in die diesseitige Wirklichkeit voraus;
der Begriff des Spukes aber läst die Ahnung des Kundwerdens
einer jenseitigen dämonischen Macht vorwaltend
als Stimmung der Furcht, des Entsetzens, des „Gruseins"
vor einer Ungeheuerlichkeit, welche in unbestimmten Umrissen
in den Kreis der eingefriedigten und aufgehellten diesseitigen
Wirklichkeit tritt, erscheinen. In der Vorstellung des Gespenstes
waltet das objective Bild vor, und es giebt Erzählungen
, in welchen tapfre Männer der fremden Erscheinung
gegenüber ganz furchtlos Eede stehen, wogegen in der Vorstellung
des Spukes das subjective Erschrecken vor einem
vermeintlichen (!) fremden und feindlichen Phänomen die
Hauptsache ist. Daher hat auch der Spuk unter der Mitwirkung
der Unsicherheit, des Grauens der Nacht, seine
hundert Ursachen; die Eulen aui dem Speicher, die Ratten
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