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Kurze Notizen.
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sie Gonsdarmen zu führen im Stande sein dürften. Obige
Nachrichten lauten: —
— Aus München wird ein fast unglaubliches Beispiel
von Aberglauben berichtet. Am 30. August wurde der
Dienstmann Kratzer vom Stadtgerichte wegen Ruhestörung
zu 9 M. Geldbusse verurtheilt. Derselbe hatte nämlich an
drei aufeinander folgenden Sonntagen in höchst lärmender
Weise Eingang in der Marienanstalt und deren Präses zu
sprechen verlangt, um, man höre und staune, von diesem
die Seele seines verstorbenen Bandes zurückzuverlangen,
welche er unter einem Glassturz in ein Papier eingewickelt
zu Füssen seines Crucifixes eingesperrt halten sollte! Entdeckt
wurde dem Kratzer, der übrigens bei vollem Verstände
ist, diess Geheimniss durch mehrere Freimaurer, welche angeblich
mit der Gasterwelt in enger Berührung stehen. —
— Aberglaube und Spukgeschichten feiern in Tyrol
einen Hexensabbath. Zwei Stunden von Innsbruck liegt
das grosse Dorf Mieders, der Sitz eines Gerichtes und
die Zuflucht vieler Sommei gaste aus der Ferne, In dem
Dorfe steht das schöne, aber verrufene Haus der „Bader-
Anna", und in diesem spukt es gewaltig. Man munkelt
Allerlei im Volke, Thatsache aber ist, dass darin ein Mädchen,
als ihm von seinen Eltern der Unterhalt entzogen wurde,
sein uneheliches Kind an den Herdplatten zerschmetterte
und dafür zu 18-jährigem Kerker verurtheilt wurde. Seitdem
sind Jahre verflossen, der Spuk treibt aber erst seit
diesem Sommer sein Wesen. Am hellen Tage werden Bilder
von unsichtbaren Händen an den Wänden herumgeschlagen,
versperrte Kastenthüren fliegen auf und offene Zimmerthüren
werden zugeworfen. Nächtlicherweile erscheint dann der
Unhold in Gestalt eines hässlichen grauen Weibes, Allen
sichtbar; aus der Tiefe ertönt schauerlich der Name der
Haustochter: Judithl Judithl und in allen Räumen lärmt
und rumort es. Die Nachbarn wurden aus dem Schlafe
aufgeschreckt und liefen hülfesuchend zum Pfarrer, und
endlich rief auch der erwachsene Sohn des Hauses dessen
Hülfe an. Der Pfarrer kam und suchte den Spukgeist mit
Brevier und geweihtem Wasser zu beschwören, aber umsonst,
siimmtliche Bewohner ziehen aus. Es wäre vielleicht besser,
ein paar Gensdarmen, die sich vor dem Teufel nicht fürchten,
in dem Hause einzuquartieren und ihnen die Geisterbeschwörung
zu übertragen.
i) Am 18. Juli er. starb zu Bonn der Altmeister
deutscher Literatur, der rheinische Dichter, Forscher und
Germanist Karl Simrock, 74 Jahre alt, dem wir unter vielem
Anderen hauptsächlich die in 36 Auflagen erschienene
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