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Waa ein Pessimist besten Falls von der Unsterblichkeit hält. 509
Venefmner z. B. (im „Allgeist") ausspricht, dass nämlich
jedes Individuum eine Idee im absoluten (leiste und in ihm
unsterblich sei. Nur darauf liesse sich allenfalls eine Un-
sterblichkeitstheorie bauen. Auch 6\ T/t. Fechner geht von
ähnlichen Gedanken aus. - Eine Unsterblichkeit im gewöhnlichen
Sinne vermag aber nun gegen den Pessimismus gar
nichts auszurichten; denn was wäre das für ein Glück,
nach dem Tode unter denselben Bedingungen, in derselben
Gebundenheit an Raum und Zeit, an Endlichkeit und Tod
fortzudauern, mit der Perspective auf unendliche Wiederholung
derselben Tragikomödie! Da wäre die ewige Vernichtung
noch trostreicher. Nur eine Unsterblichkeitsidee
würde dem Pessimismus gegenüber sehr ins Gewicht fallen.
Diess wäre eine Fortdauer nach dem Tode in einer intelli-
giblen, idealen Welt, die nicht durch den Willen in Raum
und Zeit realisirt, sondern räum- und zeitlos wäre. Eine
solche Portdauer allein könnte ein Glück sein; aber wie
können wir uns davon etwas vorstellen?! Ein Dichter
höchstens kann sie uns in poetischer Form vorzuführen
Miellen, wie z. Jß. Sollet im „Laienevangelium.•* Wir sind
der Ansicht, dass von wissenschaftlicher Seite aus die Unsterblichkeitsfrage
als eine offene, überhaupt nicht lösbare
(?) betrachtet werden muss, bei der es sich höchstens um
grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit handeln kann.
Auf dem Boden strenger Wissenschaftlichkeit können daher
solche Ideen nicht berücksichtigt werden. Wer daran zu
glauben vermag, für den ist der Pessimismus zwar nicht
aufgehoben, aber durch einen grossen Trost für die Zukunft
sehr gemildert. Im übrigen giebt es aber gewiss nur Wenige,
die sich mit einer solchen Idee vertraut machen können.
Wir wollten hier nur constatiren, dass eine derartige Unsterblichkeitsidee
den einzig möglichen (?), allerdings mehr
subjectiven Grund abgeben könnte für die Ablehnung eines
absoluten Pessimismus, während alle andern machtlos sind.
Der Yerfasser unserer Schrift hat sie aber gar nicht berücksichtigt
, weshalb seine Ausführungen über Unsterblichkeit
den Pessimismus durchaus nicht widerlegt haben . . Auch
hat er den hauptsächlich von P/leiderer vertretenen Gedanken
nicht geltend zu machen gewusst, der neben der
Unsterblichkeitsidee die einzige noch mögliche Instanz gegen
den Pessimismus abgäbe, den Gedanken, dass man dem
empirischen Standpunkte des Pessimismus gegenüber den
Standpunkt der sittlichen Idee einnehmen, dass man das
Leben betrachten müsse, wie es erscheint, wenn es im Sinne
und Gefühle der Sittlichkeit, Tugend, Pflichttreue betrieben
wird." —
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