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534 Psychische Studien. III. Jahrg. 12. Heft. (December 1876.)
ausserordentlich gesteigert werden mag durch jene gänzliche
Concentration der Aufmerksamkeit, welche für die Zustände
characteristisch ist, die wir so ehen betrachtet haben. Es
kann keine Frage sein, dass diese Divinations-G-abe in einem
sehr merkwürdigen Grade von gewissen Individuen natur-
gemäss besessen wird, und dass sie durch Ausbildung gewaltig
verbessert werden kann. So weit wir jedoch mit
den Bedingungen ihrer Ausübung bekannt sind, scheint sie
von der unbewussten Auslegung der durch den Gesichtsausdruck
, durch den Conversationsstyl und durch verschiedene
unwillkürliche Bewegungen gelieferten Andeutungen
(von denen viele unerklärlich sind) abzuhängen; diese Erklärung
geht jedoch in vielen Fällen weit über das hinaus,
was durch die Erfahrung als die Bedeutung solcher Andeutungen
gelernt worden sein kann."
Dr. Carpenfer citirt mit einigem Rückhalt den wohlbekannten
Fall Zschokke's, welcher von Dr. Mayo und
Anderen beschrieben worden ist als Beispiel des Gedankenlesens
; aber wenn dieser Fall zugegeben wird, oder diejenigen,
von denen ich selbst Zeuge gewesen bin, so scheint die
einzige Erklärung die zu sein? dass, wenn eine Person in
einen äusserlich passiven Zustand geworfen wird, die Nerven-
thätigkeit, welche den Gedanken bildet, durch eine entsprechende
Thätigkeit in einem benachbarten Individuum
erregt werden kann, und zwar durch den Raum und
ohne die Vermittelung der Sinne. Auch scheint dieses
keine ganz unglaubliche Thatsache zu sein. Die Energie
der Elektrizität wirkt auf zwei Weisen, durch Uebertragung
längs 'sines materiellen Conductors und durch Einfluss oder
Induction, wie man es nennt, durch den Raum*). Kann
nicht die Nerven-Energie, welches auch ihre Natur sei,
ebenfalls durch Einfluss sowohl wie durch Leitung wirksam
sein? Dieses würde jedoch zeigen, dass die Nervenkraft
eine strahlende Energie irgend welcher Art sein muss, fähig,
die Nervengewebe passiver, empfänglicher Individuen in
Zustände der Thätigkeit zu werfen, welche den in einem
activen benachbarten Willen bestehenden Zuständen entsprechen
; nur scheint es nöthig, dass das Subject zur
Passivität reducirt werde durch die Herrschaft irgend eines
Willens, welcher dadurch irgend ein Glied geschaffen zu
haben scheint zwischen sich und dem Subjecte. Im Uebrigen
*) Eine ganz ähnliche Bemerkung in Betreff der mesinerischen
Einflüsse sprach Prof. Butlerorv aus in seiner Abhandlung: „Die ine-
diumistischen Phänomene", welche vor etwa einem Jahre in einem
der verbreitetsten russischen Monats-Journale erschienen ist. —-
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