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Etwas von den sog. Wunder-Erscheinungen in Marpingen. 25
nicht aufgenommen, d. h. in Predigt und Cultus nicht
geltend gemacht werden dürfen. Aber gegenüber der frivolen
Ausbeutung und Entstellung (in Zeitungen und
Witzblättern), sowie im Gegensatz zu der verbissenen Dreistigkeit
, womit man liberalerseits unbesehen Alles als „Schwindel
" verurtheilt, ferner gegenüber dem Auftreten der Polizei
in Marpingen, welche bekanntlich den Ortspfarrer und die
Mitbetheiligten als Anstifter verhaftete, wird wenigstens
(gleichzeitig mit der katholischen „Germania44 in Berlin)
ein möglichst objectiver Thatsachen-Bericht versucht. Drei
Kinder, achtjährige Mädchen, Margaretha Kunz, Katharina
Hubertus und Susanne Leist befinden sich am Abend des
3. Juli er. im nahen Härtelwalde nach Heidelbeeren (Walen
zu brechen). „Da plötzlich, an einer Stelle, welche nicht
weit vom Eingange des Waldes entfernt ist, schreit die
Susanne Leist laut auf und ruft ihre Gefährtinnen herbei.
Bleich vor Schiecken eilen alle drei ins Dorf zurück nach
dem Hause der Leist und unterhalten sich erst unter einander
über das Gesehene. Dann erzählen sie es den Eltern
und den grösseren Geschwistern, indem sie sagten, sie hätten
eine weisse Frau gesehen mit weissem Schleier, weissem
Rocke und weissen Strümpfen; sie habe zwischen zwei
Sträuchern gesessen und ein Kind auf dem rechten Arme
gehabt; das Kind habe ein weisses Kränzchen auf dem
Kopfe getragen, ein weisses Kleid und weisse Strümpfe angehabt
, aber ein blaues Bändchen um den Hals.44 — Am
folgenden Nachmittag vier Uhr gingen die Kinder wieder
in den Wald in die Nähe der gestrigen Stelle, und beim
dritten Vaterunser, das sie beteten, sahen Margaretha Kunz
und Katharina Hubertus die glänzende Erscheinung unmittelbar
vor sich. Dieses Mal verschwand ihre Furcht, und
muthig stellten sie aus eigenem Antrieb die Frage: „Wäschen
, wer bint ihr ? (Frauchen, wer seid Ihr ?)" — „Ich bin
die unbefleckt Empfangene!" — „Was sollen wir thun?" —
„Ihr sollt fromm beten!" — Darauf gingen sie nach Hause,
noch auf dem Heimwege betend, und erzählten es, vielfach
aber vergebens angezweifelt. Am Abend desselben Tages
8 Ubr gingen die drei Mädchen mit einigen anderen Kindern
und mehreren Erwachsenen wieder in den Wald. Sie
beteten wie vorhin, und die Erscheinung kam in derselben
Weise. Dieselbe sprach wieder zu ihnen: „Fromm beten
und nicht sündigen." Die Erscheinung begleitete die Kinder
bis zum Anfange des Dorfes. Die Erwachsenen, welche
sie nicht sahen, hielten den Kindern zur Probe abwechselnd
die Augen zu, ob sie, ohne von einander zu wissen, dieselbe
Stelle bezeichnen würden, an der die Erscheinung sich be-
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