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Etwas von den sog. Wunder-Erscheinungen in Marpingen. 27
Taube, die Mutter Gottes mit dem Jesukinde von Engeln
umgeben, dann einen Stern grösser wie der Mond über dem
Härtelwalde, in der Luft nach der Pfarrkirche ziehende
Prozessionen etc. erblickt haben wollen. — Seit den ersten
Tagen des September aber beginnen in den Visionen der
Kinder neben der angeblichen Mutter Gottes bald unheimlich
abschreckende, bald einschmeichelnde Gestalten des
Bösen aufzutreten. Auch die Erscheinung einer angeblichen
Seele aus dem Fegefeuer wird gemeldet. Das sonstige
Verhalten der drei Kinder soll ein ganz normales sein.
Sie wurden auch vor Gericht gezogen und verhört, was sie
mit aller Unerschrockenheit und Geistesgegenwart über sich
ergehen Hessen. „Die weltliche Behörde" — sagt unser
Correspondent — „ist in solchen Dingen nicht competent,
und wenn sie es wäre, hat sie wenig Lust, Wunder zu con-
statiren, aber freilich desto mehr Lust, die Nicht-Existenz
derselben zu erweisen . . ♦ . Bei dem grossartigen und kostspieligen
Eifer, den die Polizei von Anfang an auf die
Entdeckung des 'Schwindels' verwandt hat, darf man sicher
sein, dass- sie ein ihren Zwecken entsprechendes negatives
.Resultat solcher Untersuchungen nicht verborgen halten
würde. Da sie nun thatsächlich ebensowenig gegen die
veröffentlichten Wunder vorzugehen, als auf Grund der
gerichtlichen Untersuchungen den Betrug in der Inscenir-
ung der Erscheinungen zu constatiren in der Lage ist, so
hat sie es nur sich selbst zuzuschreiben, wenn manche
Leute denken, durch ihren resultatlosen Eifer (selbst bei
Verhaftung des Ortspfarrers) lege sie selbst wider Willen
ein zwar nur negatives, aber darum gar nicht zu verachtendes
Zeugniss für die Wahrheit der veröffentlichten Heilungen
ab." — Die 'Deutsche Ver.-Corr/, eine in solchen Dingen
gewiss unverdächtige Zeugin, schreibt: — „Bis jetzt ist .die
Ansicht, dass von Anfang an ein von den Geistlichen ausgegangener
Betrug vorliege, der die Kinder nur zu seinem
Organ gemacht, nicht erwiesen. Vielmehr scheinen einige
sensitive Kinder, erregt durch den Marienschwindel im
Reichsland, durch den Unterricht der Christenlehre und
häusliche Sehnsucht, wirklich Visionen gehabt zu haben."
"* A.uch von Erscheinungen zu KrütIi im El s a s s wird
gesprochen, aber dort ein dämonisches Kunststück des in
einen Engel des Lichtes verkleideten unsichtbaren Betrügers
vermuthet. Wir enthalten uns vorläufig ebenfalls
noch jedes Urtheils, bis die Erscheinungen ihr Ende erreicht
haben werden, das nach einer Vorhersage derselben
in den September 1877 fallen soll.
Gr. C. Wittig.
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