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Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Ein seltsamer Krankheitsfall,
Krlwin bei Ostrog, im Februar iS77.
Geehrter Herr!
Ueberzeugt, dass es Männern, denen es mit der Lösung
vielfach bestrittener, aber keineswegs widerlegter Fragen
ein Ernst ist, nur augenelim sein kann, in Bezug auf dieselben
Mitteilungen von Personen zu erhalten, die, frei
von vorgefassten Meinungen, treu und wahr das überliefern,
was ihnen von Freunden zugekommen ist. deren geistigsittlicher
Standpunkt die Wahrheit des gegebenen verbürgt,
so erlaube ich mir hiermit, Ihnen folgende Thatsachen
mitzutheilen.
Eine meiner Freundinnen und deren Schwester, beides
lebensfrohe Mädchen, befanden sich auf einem längern Besuche
in einer Familie. Die einzige Tochter de** Hauses,
etwa achtzehn Jahr alt, litt häufig an Konvuls'onen und
katalepthehen Zuständen. die durch die geringfügigsten
Veranlassungen herbeigeführt wurden. Sie fühlte das* Herannahen
dieser Zustände und bat dann die von ihr vorzüglich
geliebte der beiden bereits erwähnten Schwestern,
mit der Hand über ihr Gesieht hinzustreichen, was in der
That wohlthätig und beruhigend auf sie zu wirken schien.
Ihre Augen waren während dieser Anfälle weit geöffnet
und starr; sie sprach zusammenhängend zu einer vor
mehreren Jahren gestorbenen Freundin, die sie zu sehen
behauptete und deren Standort sie bezeichnete. Bei einer
dieser Gelegenheiten bat sie diese Freundin, sie mit sieh
nach dem herrlichen Orte zu nehmen, den sie bewohne.
Tödte mich durch Schläge ins Genick, »agte sie, tdch vorwärts
neigend, und laut zählte sie: eins, zwei, drei, — in
diesem Augenblicke sank sie starr zurück.
Die Bemühungen der trostlosen Eltern und Freundinnen,
sie ins Bewusstsein zurückzurufen, schieuen uber vergebens.
Da w7arfen sich die letztem in ihrer Angst auf die Knie
und flehten innig zu Gott, das theure Leben zu erhalten.
Die Erstarrung fing nun an allmählich zu weichen. Statt
sich über diesen Wechsel zu freuen, beklagte sie sich laut gegen
die Verstorbene, sie auf der Erde zurückgelassen zu haben.
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