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204 Psychische Studien. IV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1877.)
Klasse von Phänomenen, die man als „Spiritualismus" kennt,
näherte ich mich mit grösserem Zögern, und deshalb behandelte
ich sie kürzer. Während ich zeigte, dass unbe-
wusste Selbsttäuschung und Kunstgriffe unzweifelhaft eine
beträchtliche Rolle bei diesen „Manifestationen" spielten, so
konnte ich doch auf diese Gründe hin den Fall eines ganz
jungen ,,Mediumskfc nicht erklären, des Kindes von Bitern
in gesellschaftlich guter Stellung, das unter meine eigene
längere Beobachtung kam; noch auch konnten die vielen,
von vorsichtigen und geschickten Porschern bezeugten Fälle
so leicht abgethan werden; noch auch ist es möglich, die
Thatsache hinweg zu erklären, dass jeder ehrliche Skeptiker,
so weit ich solche kenne, welcher sich geduldig an das Werk
begeben hat, eine eingehende Untersuchung dieses Gegenstandes
anzustellen, in dem Glaiiben, er würde im Stande
sein, denselben zu entwirren oder blosszustellen, diese seine
beiden Absichten vereitelt gesellen hat.
Für meinen eigenen Theil bin ich geneigt zu glauben,
dass noch andere geistige Phänomene — so z. B. die Möglichkeit
der Einwirkung eines Geistes auf einen anderen
quer durch den Kaum, ohne die Yertnittelung der Sinne
— einer vorhergehenden! Untersuchung bedürfe u, Dass
Fälle einer solchen geistigen Wirkung in die Perne wirklich
existiren, habe ich in Gemeinschaft mit Anderen manche
Gründe zu glauben; aber bevor sie allgemein angenommen
werden können, müssen die Beweise sieh häuf er und durch
und durch gesichtet werden. Ich hoffe, dass irgend ein
competenterer und mit mehr Müsse beglückter Forscher als
ich diese Frage schliesslich noch aufnehmen wird; aber
mittlerweile werde ich das Vergnügen haben, (an Monks-
town in Dublin adressirte) Mitteilungen von Jedem in
Empfang zu nehmen, der mich mit glaubwürdigen Beweisen
über zwei Punkte versehen kann: — 1 j Fälle von der directen
Einwirkung eines Geistes auf einen anderen, welche einer
anscheinend gegenseitigen Durchdringung des Denkens oder
Fuhlens Entstehung geben, und die gewöhnlich bei Personen
vorkommen, welche auf einen äusserst sensitiven Zustand
entweder durch Krankheit, oder durch die volksthümlieh
bekannte „mesmerische Verzückung'* reducirt sind; 2^ Fälle,
welche Beweise zu geben-scheinen von dem zeitweisen Besitz
eines sogenannten sechsten Sinnes - dass heisst, einer
von den gewöhnlichen Kanälen der Siiniesempfindung unabhängigen
Wahrnehmung. Ich muss aber Diejenigen,
welche mir dergleichen Fälle freundlich zusenden können,
ersuchen, grosse Sorgfalt zu nehmen, damit nicht Quellen
des Irrthums eingeführt werden von unbewussten Muskel-
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