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Erfahrungen eines Deutschen im Spiritualismus in England. 211
— wenn nämlich das Medium in fremder, ihm gänzlich unbekannter
Sprache redet. Abgesehen von dem überzeugenden
Beweis eines fremden Einflusses in solchen Fällen habe
ich oft einen so enormen Abstand zwischen dem manifes-
tirenden und normalen Geistesvermögen gefunden, dass es
fast der fremden Sprache gleichkam, ja in einem Falle, wo
ein unwissendes Strassenmädchen in verzücktem Zustande
eine .Bede hielt, dass fast allen die Thränen in die Augen
kamen, waren mir ihre nachherigen Bemerkungen, im Normalzustande
, fast greulich abstossend und gemein. „Ich gehe
nicht wieder hin nach solchem Trödel, sagte sie, was habe
ich davon, was ich schwatze, ich will Spass haben, und
Stühle rumfliegen sehen, wie mir gesagt wurde, ne, da kriegt
mich Keiner wieder hin! —"
Meine nachherige Unterhaltung mit Mrs. Woodforde
münzte ich darauf, herauszubekommen, ob sie gar nicht
des Gesagten sich erinnere. Nein, sagte sie, aber zuweilen doch,
namentlich wenn die Erwachung naht. Ihr feiner, hochstrebender
und edler Gedankengang in unserm weitern Gespräch
aber Hessen mich doch Anklänge des Gehörten
durchahnen und sie erklärte, was einen so prächtigen Eindruck
der Wahrheitsliebe auf mich mich machte, „vieles
fliesst mit ein, was wohl meinem Gedankengang angehört,
denn die Geister benutzen uns, ohne dass wir uns ganz
verlieren; es kommt wohl nur darauf an, wer zuletzt die
Oberhand gewinnt." Diese Erklärung war mir äusserst
wohlthuend, denn wenn sie auch etwas den Werth einer
echten Kundgebung reducirte, so gewann desto mehr der
übrige Theil.
Wir arrangirten nun für den Hauptzweck meine Schreibversuche
, aber trotz einiger wirklich unwillkürlichen Züge,
brachte ich doch nichts zu Stande. „Er ist zu positiv, ich
kann nicht auf ihn wirken," schrieb es durch Influenz
durch Mrs. Wood/ords Hand. Ich fühlte auch deutlich in
den Versuchen, wie die Inspiration durch Denken, Aufpassen
zersetzt wurde und es scheint, ein passiver Zustand
ist nicht zu bestellen. Ein Kunstwerk kann nicht unter
gleichzeitigen Geieraugen der Kritik entstehen! Eben so
hier. Eines Tages, etwa beim vierten Versuch, fing der
Nichterfolg an mich zu langweilen und ich dachte, ich
möchte lieber wieder so eine schöne Eede hören, und merkwürdig
, ganz gegen unsere Abrede und Erwartung und
gegen ihre anberaumte Zeit (die erlaubte halbe Stunde
war beinah abgelaufen) fiel sie plötzlich in Verzückung und
anwortete lange Zeit nicht auf meine Fragen, bis zuletzt
der Gruss Berliks mich überraschte, Eine Frage hatte ich
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