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332 Psychische Studien. IV. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1877.)
den d. Juli angesetzt. Lassalle reiste aber, wenn mich mein
Gedächtniss nicht täuscht, schon am 29. oder 30. Juni ab.
Ich (als damaliger Redaeteur der Düsseldorfer Zeitung)
brachte ihn mit dem Bevollmächtigten zur Bahn. Tch bin
kein Freund von seltsamen Geschichten und bin nicht abergläubisch
; aber ich muss hier doch eine Thatsache wiederholen
, die ich schon vor etwa V\ Jnl.ren, als die Meldung
von Lassalltfs plötzlichem Tode eintraf, mitgetheilt habe.
Ich war mit Z. während der Tage seines Aufenthaltes in
Düsseldorf zwar sehr viel zusammen gewesen. . . . nber von
irgend einer Intimität konnte bei der Kürze (dieses) unseres
(ersten) Verkehrs, bei dem Unterschiede des Alters und der
Bedeutung natürlich nicht die Rede sein. Gerade desshalb
war die Art und Weise, in der er sich von mir verabschiedete
, im höchsten Grade überraschend für mich. . . .
Als nun der Schaffner die Coupethüre geöffnet hatte und
Lassalk mir die Hand reichte, überfiel ihn plötzlich eine
ganz seltsame Rührung; er drückte mir die Hand mit einer
Innigkeit, dass ich beinah aufschrie, er sah mich an wie
einen guten Freund, von dem man Abschied für immer
nimmt, und sagte mir mit zitternder Stimme: „Ich werde
Ihnen Ihre Freundlichkeit nie vergessen." Daraui schloss
er mich in seine Arme mit der vollen Zärtlichkeit eines
väterlichen Freundes. Ich war von diesem unerwarteten
Ausbruch von Herzlichkeit ganz betroffen; auch ich empfand
eine seltsame Rührung gleichzeitig mit einem unbeschreiblichen
Gefühl angstvollen Befremdens. Die ganze Sache
kam mir nicht geheuer vor. Ich habe nie in meinem Leben
Ahnungen gehabt; aber in diesem Augenblicke hatte ich
die ganz bestimmte Empfindung: den Mann wirst du wohl
nicht wiedersehen! Um mir das auszureden, sagte ich ihm
— ... durch das Fenster —: „Auf "Wiedersehen, Herr
Lassalle/" Er antwortete: „Wer weiss?" Und als ich ihn
darauf erstaunt anblickte, fügte er hinzu: „Ein Jahr oder
auch nur ein halbes Jahr kann ich mich der Freiheit nicht
mehr berauben lassen! Ich halte es einfach nicht aus. Lieber
expatriire ich. Ich bin nervös ganz herunter. Rigi Kaltbad
wird mich hoffentlich wieder brauchbar machen." Die
Lokomotive pfiff, und unter dem schweren paffenden Keuchen
der Maschine setzte sich der Zug langsam in Bewegung.
„Leben Sie wohl!" rief Lassalle. Wir schwenkten die Hüte
und sahen noch einige Secunden die Silhouette seines herrlichen
runden Kopfes, der mit einem kleinen grauen Reisehute
bedeckt war. Er nickte uns zu.--
„Auf dem Heimwege sprach ich mit meinem Begleiter
noch über den merkwürdigen Abschied. Wir erklärten uns
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