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352 Psychische Studien. TV. Jahrg. 8. Heft (August 1877.)
band derart, dass die Hände absolut nicht heraus konnten,
.jxinc und schnitt die .Enden dicht an den Knoten ab. Tch erlaubte
4 Zoll Länge und band das andere (?) Ende um eine
Rille im gedrechselten Stuhlbein, so dass das Band nicht
schieben konnte. In dieser Weise ruhten ihre Hände auf
den Knieen, und konnten wegen der Kürze der Bänder
sich nur an den Fingerspitzen eben berühren. So sass sie
hinter dem Vorhang, auf welchen ein schwaches Licht fiel,
und ich allein nahm meinen Platz davor. Nach einigen
Minuten antwortete sie nicht mehr, obgleich ich kaum erwartete
, dass meine Gegenwart allein hinreichen würde, die
Kraft herbeizuziehen. Eigentümliche Strömungen "über
und durch meinen linken Arm erregten meine Aufmerksamkeit
und plötzlich erschien in der Oeffnung, etwa 2 Fuss
überm Kopf des Mediums das Gesicht ßerties. lieblich
grüssend und klar genug, die reizenden milden Züge zu
erkennen. Der Eindruck war wunderbar und die hoffnungsbelebenden
Worte machten mir diesen ersten Besuch unver-
gesslich. Das Medium kimi schneller aus ihrem „trance",
wie ich aus dem Taumel, und fast mechanisch sagte ich:
„kommen Sie heraus, es war herrlich!" ich hatte die Bindung
vergessen. „Ich kann ja nicht" war ihre Antwort und nun
begriff ich die Situation. Mit einem Messer musste ich die
unberührten Bänder (nach genauer Beobachtung) trennen
— und die zitternde Frau war freudig überrascht, dass
etwas „gekommen" sei. Ich fühlte mich gedrungen, die fast
albern (nach so häufigen Experimenten) erscheinenden
Prüfungsbeschwerden zu eni schuldigen, aber rasch griff sie
mir ins Wort: „ich weiss, Sie thun es nicht Ihrer eignen
(ienugthuung willen, die Welt verlangt es — und mit
Recht und Sie können mit mir machen, was Sie wollen."
Wenn ich nun hinzufüge, dass diese Sitzungen abwechselnd
in ihrer und meiner Wohnung stattfanden und von verborgenen
Thüren nicht die Rede sein kann und dass ich
nie neue Prüfungen vorher andeutete, sondern stets
damit überraschte, fwesshalb sie in früherer Zeit mit
Schrecken mich kommen sah und mich nicht leiden konnte),
so wird man mir beistimmen, dass wir hier vor einem
„Räthsel" stehen. Die weitere Folge aber wird lehren,
dass das Suchen nach der Lösung nur neue herbeiführt
— bis vielleicht unsere eigene Auflösung näher zum Ziele
führt. —
Wenn ich nun kalt und rein technisch den Vorgang
durchforsche, muss ich bekennen, dass dem Auge sich nicht
die geringste Spur darbot, auch nur den leisesten Verdacht
zu erregen, aber dem Ohre drangen sich Wahrnehmungen
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