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370 Psychische Studien. IV. Jahrg. S. Heft. (August 1877.)
Bald gewann der Bruder aber die Einsieht, das* er sicli
ihr würde zeigen können, und als nach schwedischer Sitte
der Pastor neben dem Sarge stand, in welchem die Leiche
lag, um seine Rede zu halten, sah sie Ludwig neben dem
Sarge stehen, eine Hand auf denselben gelegt. — Das Sein
im Jenseits, oder vielmehr in dem neuen Zustand, ist so lange
unangenehm wegen seiner Fremdartigkeit und Vereinsamung,
bis man sich einem Kreise sympathischer Geister anschliessen
kann. In diesem Stadium hat man nur eine ganz allgemeine
Erinnerung an das Erdenieljen, welche hingegen ungemein
lebendig und vollkommen wird, sobald jene Verbindung mit
andern, und damit zugleich eine Erhebung eingetreten ist,
und die Eingewöhnung in den anfangs höchst fremdartigen
neuen Zustand Fortschritte gemacht hat. T)ie Erinnerung
wird dann so intensiv, dass ideht nur Erlebnisse und Handlungen
, sondern selbst die Gedanken den Erdenlebens in
grösster Klarheit vor den Geist treten, dessen Aussehen
und Haltung, wenn er sich etwa einem Lebenden zeigt, aul
die Stimmung schliessen lassen, in welcher er sich eben befindet
und die das Produkt der ihn gerade bewegenden
Gedanken ist, die traurig oder heiter, niederdrückend oder
erhebend sein können. Jeder auf die ewigen Dinge gerichtete
Gedanke — aber nur solche, nicht andere — belohnt sieh
nun durch die Empfindung unaussprechlicher Seligkeit.
Zugleich erwacht das Gefühl, dass man eine gewisse Rechenschaft
schuldig sei, und die Chinesen kommen der "Wahrheit
am nächsten, wenn sie dieselbe vor den Geistern der
Ahnen ablegen lassen.
Die Ausbildung des ätherischen Leibes dauert verschieden
lang, 5, 10, 20 Jahre, und mit seiner Reife wird
man gegen die irdischen Dinge gleichgültig. .Bei Manchen
erwacht noch nach dem Tode das Erdenbcwusstsein. bis
der Körper ganz erkaltet ist; es sind solche, welche im be-
wusstlosen Zustand starben, und diese wissen dann nicht
um ihren Tod, sondern glauben noch im Erdonleben zu sein,
wie der Geist Ludwig von einem ihm bekannten Gesandt-
schaftssekretär erzählte, dessen Posten, nachdem er gestorben
war, ein Anderer zu erhalten suchte, während ersterer behauptete
, er sei ja noch nicht todt. — Das Leben in einer
reinen Gedankenwelt ohne Schlaf und Ermüdung ist das
Leben der Geister; anfangs entbehrt man schwer die
äusseren Mittel, die Gewohnheit nach einem Buch zu greifen,
Speise und Getränk zu nehmen etc., aber man wird reichlich
entschädigt durch Inspirationen, welche gleichsam
stromartig kommen und ungemeinen Genuss und Aulschwung
im Geisterleben erzeugen.
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