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Erfahrungen eines Deutschen im Spiritualismus in England. 403
meiner Freundin ein kleines Geschenk zum Feste zu überreichen
, ohne dem Medium den Gegenstand zu verrathen.
Ein kleines goldenes Halskreuz, nach meiner Zeichnung angefertigt
, am schwarzsammtnen Bande war bald bereit und
zwar heimlich, während ich das Medium gehörig in die
Gefangenschaft des Tüllnetzes verrammelte, ohne auf ihr
Fragen, warum die ungewöhnliche Anstrengung, zu achten.
Bald erschien „Bertie" lebhaft und freudig und als der
günstige Moment gekommen schien, flüsterte sie schnell:
„Reiche es durch die Oeffnung" und ich fühlte die Finger
das Kreuz weghaschend und hörte Küsse das Geschenk be-
grüssen. Als ob .die besondere, obschon freudige Aufregung
die „magische Wolke" (wie ich die wunderbare
Kraft nennen möchte) schnell v er flüchtigte / erwachte das
Medium ungewöhnlich rasch and schien ängstlich verlegen,
als ich am Netz herumtappte, sie um und um drehte, dann
alle Winkel des Cabinets durchstöberte, wieder an ihr herumspähte
— sie mochte denken, ich wäre plötzlich verrückt
geworden — bis ich ihr alles erklärte und ihr Erstaunen
sich meinem anschloss. Einige Tage später erwartete ich
in grosser Spannung die Erscheinung und bald tauchte sie
auf, das Kreuz um den Hals gehängt, die Finger damit
spielend, das metallische Geräusch deutlich hörbar! Ich
durfte meine Hand vorstrecken und sie legte das Kreuz
darauf, so dass ich das volle Gewicht davon fühlte. So
erschien sie nun jedesmal, und als ich bei einer Gelegenheit
scherzend sagte (ich unterbreche die beständige Neigung
zum Erstaunen, der Beobachtungsfähigkeit oft so hinderlich
mit heitern Einfällen): „Gieb mir es wieder, es geht mir
knapp, es ist so theuer!" — „0 nein, nein, nein, fiel sie hastig
ein, das bekommst du nicht wieder, es ist mir viel theurer! —
und wer das Kreuz hat, bekommt auch die Krone", und
wie ein Triumph näherte sie sich noch einmal der Oeffnung
und verschwand.
Bald darauf empfahl sie mir, die Versuche für die Form
der Hand zu machen, und in nächster Sitzung stellte ich
die Schüsse] mit geschmolzenem Paraffin (eine Art Wachs)
mit ins Cabinet. Wenn eine Hand wiederholt in diese
flüssige, aber schnell sich erhärtende Masse getaucht wird,
bildet sich so zusagen ein Wachshandschuh um die Hand,
die herausgezogen (nachdem eine Schlitze am engern Handgelenk
gemacht) eine hohle Form zurücklässt, die beim Ab-
guss die feinsten Markirungen der Hand erkennen lässt, eine
vollkommene Copie des Originals. Nach langem spannenden
Warten flüsterte die Stimme: „Verliere die Geduld nicht, ich
habe noch nicht die Kraft — beharre." So machten wir
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