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410 Psychische Studien. IV. Jahrg. 9. Heft. (September 1877.)
die räumlich oder zeitlieh oder beides zugleich von der
Somnambule fern liegen. Immer aber sind es nur Procente
dieser Erscheinungen, auf welche diese Aussage Anwendung
findet, und kann daher eine Prüfung derartiger Phänomene
nur durch andauernde Beobachtung geschehen. Es sind
ausnahmsweise Fälle bei ausnahmsweise organisirten Naturen,
und muss man Geduld und Ausdauer haben, wenn man
etwas Entscheidendes erleben will. Kant sprach sich in
seinen „Träumen der Metaphysik" (Bd. II S.' 34t) darüber
aus, wie schön es wäre, wenn man statt auf hypothetischer
Grundlage, aus wirklichen und allgemein zugestandenen
Beobachtungen Schlüsse ziehen könnte; wer darf mit Wahrscheinlichkeit
vermuthen, wie es mit der (nach seiner Ansicht
) geistigen Natur des Menschen stehe? Ebendaselbst
spricht er die merkwürdigen "Worte aus, dass es noch ein
Mal irgendwo und irgendwann bewiesen werden könnte,
dass die Seele auch in diesem Leben mit einer anderen (?)
Welt in Verbindung stehe, Eindrücke empfange, deren sie
sich aber als Mensch nicht bewusst ist, so lange alles
wohl steht." An Schärfe des Verstandes und Objectivität
ist wahrlich Kant von Niemand übertroffen worden!
Bevor ich zu den Conclusionen schreite, will ich. um
den wirklichen oder behaupteten Thatbestand zu erschöpfen,
noch erwähnen, dass bei den angeblichen Erscheinungen
des Magnetismus, nämlich des Inschlafsetzens durch einen
Dritten, sowie bei sympathetischen Curen, wofern sie von
Wirkung sind, ein neuer Factor auftritt, und das ist die
Kraft des Willens, Denn dass die sympathetischen Mittel,
wofern sie durch Anwendung cb emischer oder organischer
Stoffe nicht in das Gebiet der Medien hinüberragen, nichts
anderes als ein durch allerlei Firlefanz unterstützter Willens-
act sind, beweist schon die Uebereinstimmung vieler dieser
Mittel. Alles, was dem Verderben oder der Vernichtung
gewidmet werden soll, schliesst mit einem ins Eeuer oder
ins fliessende Wasser werfen, in den Rauchfang hängen,
oder unter die Dachtraufe legen etc.; es soll nämlich der
Vernichtung Preis gegeben werden. Da wirken dann der
eigene und fremde Wille, und was Einbildungskraft nicht
Alles vermag, davon ein humoristisches Beispiel.
In dem Domcapital zu Agram ging und geht die für
einen Dichter ganz unbrauchbare Sage, dass, wenn zwei
Domherren plötzlieh sterben, ein dritter allsogleich nachfolge;
und da nun zwei Domherren bald nacheinander das Zeitliche
segneten, so erfasste einen dritten das Gra-uen, dass er das
verhängnissvolle Opfer sei. Er wurde krank und allgemein
liiess es, er werde nicht aufkommen. Da brach ein anderes
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