Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
4. Jahrgang.1877
Seite: 449
(PDF, 155 MB)
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Ein psychologisches Problem

449

Geschwistern aber bestand die innigste Freundschaft, die
lebendigste Theilnahme. Wir hatten indessen in Heidelberg
kaum die Vorstellungen eröffnet, als die Mutter, die
sich schon völlig erholt hatte, einen neuen und zwar gefährlichen
Anfall ihres Leidens bekam. Die Tochter pflegte
sie auf die aufopferndste Weise, und wenn sie Abends durch
ihre Pflicht auf die Bühne gerufen wurde, um ihre Beküm-
merniss hinter der lachenden Maske zu verbergen, so übernahmen
gewöhnlich einige ihrer Colleginnen oder ein paar
Herren unseres Personals die Kolle der Krankenwärter.

So kam die Nacht vom Sonnabend zum Sonntag heran,
in der, wie der Arzt es vorausgesagt hatte, gegen ein Uhr
die Krisis im Befinden der Kranken eintreten sollte. Die
Tochter hatte an diesem Abend die Abigail im „Glas
Wasser" gespielt, und da ich in jenem Stück unbeschäftigt
war, so wachte ich am Krankenbett, bis Fräulein K. aus
dem Theater zurückkam. Es war eine traurige Nacht,
die mir so leicht nicht aus dem Gredäehtniss kommen
wird, und alle Einzelheiten des Vorgangs, alle Kleinigkeiten
, die ich in jener Nacht in dem Zimmer sah,
jedes Bild an der Wand, jedes Blättchen auf dem Tische
haben sich meiner Erinnerung unaustilgbar eingeprägt. Ein
einziges Licht, das noch dazu mit einem Lichtschirm verstellt
war, um einen gedämpfteren Schein zu geben, beleuchtete
das blasse, matte Gesicht der Kranken; Fräulein
K* sass am Bett und hielt die Hand der Mutter in der ihren.
Ich stand seitab am Fenster. Die erste Stunde rückte heran
. Eine Viertelstunde nach eins wird die Kranke, die vom
Fieber verfolgt wurde, rahiger, apathisch, bis sie mit einem
Seufzer ganz in die Kissen zurücksinkt und kein Lebenszeichen
mehr von sich giebt. ,,Sie ist todt!" schreit die
Tochter auf und wirft sich verzweitiungsvoll über den Körper.
Ich halte sie zurück, suche sie zu beschwichtigen, ich hebe
die losgelassene Hand in die Höhe, sie ist todtenkalt —
aber der Puls schlägt noch, zwar ganz leise, ganz flüchtig,
aber er schlägt noch. Sie ist noch nicht todt. Zehn lange,
ewig lange Minuten stehen wir Beide vor dem Bett, ohne
ein Wort zu sprechen, mit ängstlicher Spannung bald nach
dem Gesicht der Kranken, bald nach der Uhr schauend,
deren Zeiger sich kaum vom Platz zu rühren schien. Schon
glaubte ich, dass ich mich getäuscht, dass die Seele den
Körper doch schon verlassen habe, da holt die Kranke tief
und schwer Athem, schlägt die Augen auf und blickt umher.

„Wo ist Euyeme*)?" fragt sie.

*) Die dem Leser oben vorgestellte Schwester meiner Freundin.

Psychische Studien. Octoher 1877. 29


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