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486 Psychische Studien. IV. Jahrg. 11. Heft. (November 1877.)
unsrer grossen Ueberraschung mit fort nahm und später zu
beantworten versprach. Die Antwort war ausführlicher und
befriedigender, als ich zu hoffen gewagt hatte, und das
Experiment war um so vollkommener gelungen, als eine
Copie der von mir gestellten Fragen, ebenso fest verklebt
als das Original, welche ich gleich nach dem Verschwinden
des Letzteren einer der Damen unsres Zirkels eingehändigt
hatte, ohne dass sie, noch sonst Jemand, den Inhalt erfahren
hatte, jetzt im Beisein aller Anwesenden geöffnet, zeigte,
dass die Antwort vollständig der Frage entsprechend war!
Ich fragte darauf noch: — ,.Kannst du uns jetzt auch
sagen, was für eine Adresse auf dem Briefe, den du mitgenommen
hast, steht?" — und erhielt darauf die Antwort:
„Wir haben noch keine Stenographie gelernt, doch
studiren unsere Gelehrten noch daran
Dass die betreffenden Geister meine in stenographischer
Schrift auf dem Couvert geschriebenen Worte nicht zu
entziffern im Stande gewesen, überraschte mich nicht weniger,
als mich die ausführliche Antwort auf meine dritte Frage
überrascht hatte. Lehrreich ist dieser Fall immerhin insofern,
als er einen neuen, klaren Beweis liefert, dass das Wissen
der Geister so gut ein begränztes ist, als das unsrige, d. h.
das der noch hier auf Erden weilenden Geister. Es ist
eine bekannte Thatsache, dass grade Leute, die von den
spirit. Phänomenen wenig oder nichts wissen und sie bezweifeln
, dennoch die lächerliche Idee in sich herumtragen,
dass, angenommen es gäbe wirklich unsterbliche Geister,
die aus der unsichtbaren Welt sich uns unter Umständen
kund geben könnten, diese Geister all wissend sein müssten.
Mir sind dahin zielende Einwürfe schon so oft von sonst
ganz gescheidten und gebildeten Leuten gemacht worden,
wenn ich mich über diese Gegenstände unterhielt, dass ich
müde geworden bin, eben so oft auf Bemerkungen wie:
„aber, wenn es wirklich Geister sind, die sich kundgeben,
dann müssen sie auch alle Fragen beantworten können, und
nicht nur einige, und andre nicht", die Gegenfrage zu steilen:
„aber sagen Sie mir doch gefälligst erst einmal, woher haben
Sie denn Ihre Idee, dass die Geister der Abgeschiedenen
im Jenseits die Gabe der Allwissenheit erlangen?-' Man
gibt dann freilich in der Kegel zu, dass jene ]dee weder
auf Erfahrung, noch auf Tradition oder Beligiou, noch auf
allgemeine Logik begründet sei, und dass es folglich auf
eine Verwechselung des unsterblichen Menschengeistes mit
dem höchsten Wesen aller Wesen herauskomme, oder auf
die naive Idee, dass die Geister ohne Unterschied sich direct
an die höchste Instanz (bildlich gesprochen) um Rath
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