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494 Psychische Studien. IV. Jahrg. 11. fleft. (November 1877.)
unwillkürlich unterm Tisch nachsah. Wir sahen uns überrascht
an, da wir die Kraft völlig ausgegeben dachten.
Das Klopfen war verschieden von dem gewohnten. „Ist
es ein neuer Bote?" fragte ich. — „Ja." — Hast du eine
Mittheilung zu machen? — „Ja.u — Willst|du es verschieben?
wir sind müde! — „Nein.44 — Muss icli Bleifeder und Papier
nehmen? — „Ja.44 — Seufzend ergab sich das Medium in
I die Lage. Ich sagte mein Alphabet, und obgleich die letzten
Buchstaben konfus wurden, die Müdigkeit der Frau offenbar
kämpfend mit d^m Strom, — die paa<* Worte nahmen
über eine halbe Stunde, — konnte ich folgendes klar entziffern
: — „Im Erdenleben existirte ich unter Heinrich VIII.
und hiess Esther Barton. Ich wurde gehängt in Tyburn,
weil ich ein Medium war. Ich wurde geboren in Acldington,
Kent. Ein Priester benutzte meine Kraft und machte viel
Geld. Aus Furcht vor öffentlicher Meinung verrieth er
mich als Betrügerin.44 — Nun fragte ich mein Medium gründlich
£ us, ob sie aus ihrer Kindheit sich an etwas Derartiges
aus der Geschichte Englands errinnere? — und ich nehme
das Vertrauen der Leser in Anspruch und sage einfacli,
dass auch nicht eine Spur hier vorlag, diese Communication
als aus dem Schacht eines längst verschütteten Gedächtnisses
hervortauchend anzusehen, — alle Vermittlungsversuche
fehlten, abgesehen, dass das einfache „Nein44 dieser
Frau mir genug war. Das Klopfen selbst aber, so weit
ab vom isolirten Medium, war mir fast das Wunderbarste,
da alles im hellsten Gaslicht geschah.
Bei der nächsten Sitzung kam dasselbe Klopfen wieder,
und nun fragte ich: Ist deir.e letzte Mittheilung correct?
„Ja!44 — Willst du mir das Datum deiner Hinrichtung
geben? — „Ja.44 — Ich notirte. Dann eriiielt ich noch
mehrere Namen damit in Verbindung, und nun begab ich
mich an's Forschen von einer Bibliothek zur andern, aber
vergeblich, und glaubte fast, endlich einmal gefoppt zu sein,
wie es wohl oft mit solchen Mittheilungen der Fall is^.
Nach etwa drei Monaten traf ich im Lesezimmer der
Brit. Association of Spiritualists in London Dr. Carter Blake,
Prof. der Anatomie, einen ausgezeichneten Gelehrten, und
theilte ihm den Fall genau mit, da ich das Papier bei mir
hatte. Er forschte in der Bibliothek des Brit. Museum nach,
und nach ehrgen Tagen erhielt ich folgende Zeilen: „Die
besagte Comraunication ist in allen Punkten correct bis
auf den Namen Elisabeth, anstatt Esther Bar ton. Sie wurde
'die heilige Magd zu Kent' genannt.44 — Hierauf erkundigte
sich mein Freund William Oxley weiter und lieferte mir die
ausführliche Geschichte dieses höchst interessanten Prozesses,
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