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Hoffmann: Bec. üb. Kosenkranz' „Der deutsche Materialism. etc." 515
diesen Stellen theilweise veränderten Zustande bestehen
bleiben ."*)
Dieser Vergleich ist in seiner Art prächtig und den
Materialismus genau bezeichnend. Nur hat er die Eigen-
thümlichkeit für den Denkenden, dass er absolut nichts
beweist. Die Kluft zwischen dem todten Stoff und dem
Leben, zwischen Stoff und Leben und dem Geist hat auch
Wiener (Vergl. S. 241) nicht zu überbrücken vermocht und
daher sind seine nichts erklärenden Worte und Vergleiche
in den Wind gesprochen. Das Gehirn als physiologisches
Organ ist, so complicirt es sei, um nichts weniger materiell
als der Stein, das Eisen, der Phosphor, und gleichwenig
wie diese fähig, Gedanken zu produciren, auszugleichen,
auszuschwitzen oder auszuscheiden. Materialist, möchte man
ausrufen: „Lass' deinen muthlosen Anker hie!" Es dient
zu nichts hier, wie Wiener, die Phrenologie mit ihren 35
Gehirnorganen einzuschieben, um den Schein einer Ver-
mittelung zwischen dem Körperlichen und Geistigen hervorzubringen
. Aber das muss man Wiener lassen, dass er sein
„System" durchgebildet hat, wie kein anderer Materialist
und auch Holbach nicht. Nur ist es weiter nichts als eine
geschickt verkettete Aggregation von Scheinerklärungen
und Scheinbeweisen, von nicht weniger als 808 Seiten. Die
Schrift wird indirekt fördernd wirken, weil jede falsche
Grundanschauung, sobald sie sich zum Systeme durchgebildet
hat, ihre Unhaltbarkeit durchsichtigst offenbart, so wie
Hegel"s Pantheismus sich selbst die Grube grub, sobald er
als durchgebildetes System fertig war. Eine umfassende und
erschöpfende Kritik des Wiener sehen Werkes ist indessen noch
nicht vorgenommen worden, wird aber sicher nicht ausbleiben.
Der von M. dem Materialisten Wiener als Antimaterialist
gegenübergestellte Ulrici hatte sein berühmtes Werk: „Gott
und die Natur", schon vor Wieners Werk (4862) erscheinen
lassen, war also nicht in der Lage Wieners Werk zu berücksichtigen
. Aber auch in der zweiten Auflage seines
Werkes (1866) und ebensowenig in den Anfängen seines
Werkes: „Gott und der Mensch", (I. Leib und Seele, IL Grundzüge
der praktischen Philosophie, 1. Naturrecht), 1866 und
1873, findet sich eine Bezugnahme auf Wieners Grundzüge
der Weltordnung. Ulricts Leistung wird von R. in kritischer
Beziehung an Vollständigkeit wie an Gründlichkeit eine
ausserordentlich verdienstliche genannt. „Alle Widersprüche,
in welche sich die materialistische Theorie durch eine ge-
*) Die Grundzüge der Weltordnung von Prof. Dr. Christian Wiener.
S. 727—728.
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