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Einige Worte des Herausgebers über den Appell des Hrn. Wittig. 531
sehr schnell vereitelte sein. Ich erlaube mir, auf diese
Weise zu sprechen in Folge der praktischen Erfahrung,
welche ich in dem grossen Kampfe gewonnen habe, den ich
nicht aufhöre und nun nicht aufhören werde fortzusetzen.
Ein Gelehrter, dessen bewusste Weltanschauung
die Frucht von langen und exacten Studien ist, kann
nicht so plötzlich die Eealität einer mediumisti-
schen Thatsache anerkennen. Die Ueberzeugungen
lassen sich nicht erzwingen. Im Mediumismus, wie
in jeder anderen Wissenschaft, muss man erst die Schule
durchmachen, mit dem Gegenstand nach und nach vertraut
werden, und dann erst werden allmählig die medium]stischen
Phänomene Platz im Gehirne des Gelehrten finden. Wenn
dann auch die Uebcizeugung gewonnen ist, so ist doch noch
eine grosse Dosis moralischen Muthes nothwendig, um der
öffentlichen Meinung die Stirne zu bieten. Es bedarf daher
für diesen neuen Wissenszweig besonders günstiger Bedingungen
und aussergewöhnlicher moralischer Eigenschaften,
damit ein Mann der Wissenschaft inmitten unseres Zeitalters
es wage, die Wahrheit der Existenz mediumistischer
Thatsachen zu verkündigen.
Dieselben Schwierigkeiten vermehren sich in einem noch
viel höheren Grade bei jeder wissenschaftlichen Com-
mission, welche zur Untersuchung von Phänomenen dieser
Art berufen werden sollte. Wie will man, dass eine Oom-
mission von Personen, welche nicht die geringste
Keni;tniss von dem Gegenstande haben, den sie
zu studiren sich anschicken, überdiess von der ganzen
Kraft ihrer vorgefassten Ideen erfüllt sind, eine ähnliche
Untersuchung mit irgend einem Erfolge führen könne?!
Ein erster falscher Schritt von Seiten dieser Herren ist
gewöhnlich, den Medien ihre eigenen Bedingungen — und
mögen dieselben noch so baroque, unlogisch und beweislos
sein — aufzuerlegen, ehe sie noch hinreichend die bekannten
Bedingungen studiren, unter welchen, wie die Erfahrung
bewiesen hat, die Phänomene stattfinden. Und diese Phänomene
sind nicht physikalische allein, sondern auch psyeho-
physische, und für ihre Hervorbringung sind die psychischen
Bedingungen wesentlich, Und was wissen
unsere Gelehrten von diesen Bedingungen? Man muss den
Menschen erst kennen, wenn man sich über die Phäno-
menalitäten seiner Natur aussprechen will. Genügen dazu
fünf Sitzungen mit einem Unbekannten? So ist z. B. eine
der eisten wesentlichsten psychischen Bedingungen, dass
der Geist des Mediums sich in einem ruhigen, passiven Zustande
befinde, dass er nicht genirt, aufgeregt oder geärgert
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