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Colley: Beobachtung der Materialisations-Erseheinung eines Geistes. 547
gesponnenes Gewand — ein maschiges Netzwerk von keinem
sterblichen Gewebe, von einer unnachahmlichen "Weichheit
und von einer wahrhaft gleissenden durchsichtigen Weisse.
Aber nun wurde Dr. Kennedy ersucht, gleichfalls nahe
heran zu treten, um auf diese Weisse mit mir noch genauer
das Wunder der aus dem Medium gesonderten Wesenheit
der Geistergestalt wahrzunehmen, und als wir so dastanden
und mit unserer ganzen Seele auf die mächtige Thatsache der
geistigen Geburt aus dem sterblichen Menschen
blickten, stellte Dr. Monck, noch immer im Verzückungszustande
, den lieblichen Besucher aus der inneren Welt
zwischen uns, und indem wir ihm Jeder die Unterstützung
eines Armes liehen, schritten wir mit unserem zarten geistigen
Gelahrten noch einige Schritte weiter in das Zimmer hinein
. Mittlerweile die Hand des geistigen Armes haltend,
welche auf dem meinen ruhte, fühlte ich das Handgelenk,
die Handfläch o, die Einger und Fingernägel derselben.
Es war in jeder Hinsicht eine lebende Hand, da sie meine
Berührung erwiederte, dem Drucke nachgab, natürliches
Gewicht und substantiellen Stoff, und alles dem menschlichen
Wesen Angehörige besass, sonst aber feucht und
steinkalt war; und der Gedanke ging durch meinen Geist,
gleichwie zuerst unsichtbarer Dampf, verdichtet, dann als
eine dunstige Wolke gesehen wird, welche als Flüssigkeit
niedergeschlagen schliesslich die feste Eisform annehmen
kann, so war vielleicht diese Gestalt an meiner Seite durch
einen ziemlich analogen Process sichtbar und greifbar gemacht
worden aus der unsichtbaren und imponderablen
Lebenskraft des Mediums. Sie hatte sich unter der noch
nicht verstandenen Chemie dos höheren Lebens in den nebelhaften
Zustand, weichen ich bei der ersten Erscheinung der
Gestalt erwähnte, verdichtet und dann weiter in das liebliche
Geschöpf verwandelt, welches wir stützten und aufmerksam
betrachteten.
Aber ich will nicht theoretisiren, sondern komme zur
Spitze der höchst wundervollen Erscheinungen dieses Abends.
Als die Gestalt sich schliesslich zurückzog, ward mir
als eine hohe Vergünstigung, welche dem Medium grosse
Erschlaffung zuziehen mochte, gestattet, dieselbe zu begleiten
und mit ihr langsam und vorsichtig hinzugehen, bis ich
wieder ganz nahe an Dr. Mouck heran kam, der noch immer
im Verzückungszustande im vollen Anblick vor uns dastand
und wartete, um den wundervollen Aeon, das Phantasma
oder die Emanation, welche wir Engel oder Geist nennen
müssen, zurück zu empfangen. Als die Gestalt sich ihm
näherte, kam der spinnwebartige Faden wieder zum Vor-
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