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I
Keimers: Erfahrungen eines Deutschen im Spiritualismus in England. 555
diesen Brief, Nach einigen Wochen überfiel die Mutter in
der Nacht ein heftiger Krampfzustand und sie schrie:
„Mein armer Sohn fiel aus dem Mast — 0, er stirbt — er
stirbt!" — und nur mit vieler Mühe konnte sie beruhigt
werden. Der Widerspruch mit dem Inhalt des Briefes
wirkte schliesslich. Nach vierzehn Tagen kommt ein Brief
des Sohnes, worin er schreibt, dass eine alte Leidenschaft
für Seefahrt ihn ergriffen und er sich als Matrose anwerben
Hess und als guter Turner kühn auf den Mast kletterte —
aber herunterfiel und sich zwei Rippen gebrochen habe.
Tag und Stunde stimmte genau (Zeitunterschied nach der
Uhr berücksichtigt) mit der Vision und — höchst be-
merkenswerth! — derselbe erzählte mir kürzlich, dass er
seinen Bruder später gefragt, ob er sich eines lebhaften
Gedankens inmitten der Katastrophe erinnern könne? —
„Ich dachte nur an meine Mutter!" war die Antwort.
Wenn nun, abgesehen von allen hochfliegenden Speculationen,
eine Art telegraphischer Verbindung zwischen Mutter und
Sohn durch plötzliche Todesangst leitungsfähig gedacht
wird, so gewinnt diess Beispiel in der Reihe un-
zählicher ähnlicher hohe Bedeutung, und die Hinweisung
Dr. Meyer's, dass der würdige, strengprüfende Prot Wallace
die Aussage eines ebenso vorsichtigen Collegen (durch
Zweifel zum Wissen gelangt) noch zu sondiren habe, erhält
einen Beigeschmack vom Haschen nach einem Strohhalm
im Versinken der sich mehrenden Beweise!
Wie nun diese Materialisationen oder zeitweilig
verkörperte Wesen als Effecte geheimer Apparate und
Refiectionskünste dargestellt werden können, wo Gefühl und
Gehör die Objectivität bestätigen, geht über alle Begriffe.
Bin solcher Versuch, wie z. B. in der „Gartenlaube",
erscheint mir daher mehr wie ein literarisches baisbrechendes
Virtuosen-Kunststück — ein Experiment, die blinde Glaubfähigkeit
aufgeklärt sein wollender Leser auf die Probe
Zu stellen! Von diesem Gesichtspunkte aus war es allerdings
ein Meisterstück, denn ich habe Personen gesprochen,
an denen nicht die Spur von Verrücktheit zu bemerken,
und die trotzdem diese Erklärungen als entscheidend betrachteten
. Die Wissenschaft begnügt sich nicht mit dem
Ergebniss eines Experiments oder selbst mehrerer derselben
Quelle als Grundlage eines Urtheils, und daher
erscheint es als schlagend, dass bis jetzt keine Verneinung
der Realität dieser Phänomene auf ehrlicher
und gründlicher Untersuchung beruht. Lasst jeden Leugner,
welche auch immer seine Position sei, seine Meinung abwickeln
und fragt einfach nach der Rede> ob persönliche
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