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22 Psychische Studien. V. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1878.)
Fernsehen im Traume, Geistererscheinnngen, Spukwirkungen
etc." Das Bedeutsamste der ganzen Abtheilung sind die Betrachtungen
über die Wunder Jesu*) und über Jesu Auferstehung
, welche verglichen werden sollten mit den Andeutungen
des WaVace und den viel älteren verwandten
Wunder-Ideen Baaders.**) Zum volleren Verständniss der
reichlich vorgeführten Thatsachen, die vom Verfasser mit
menschenmöglichster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausgewählt
sind, zeigen sich nun die „Theoretischen Erwägungen'*
der IV. Abtheilung von hervorragender Wichtigkeit.
Gleich zu Anfang hervorhebend, dass der Glaube wie
die Leugnung der Fortdauer bei Wilden wie bei Gebildeten
vorkommt, stellt der Verfasser dem Unsterblichkeitsleugner
der classischen Zeit, dem Verfasser der Hist. nat., Ptinius*
den grossen Mathematiker der Neuzeit, Gauss, als entschiedenen
Unsterblichkeit-Gläubigen entgegen und wendet
sich sofort gegen die Lehre jener Fraktion der Spiritualisten,
welche die Beinearnation annehmen, die sie zu stützen
suchen durch Berufung auf die Aussage von Geistern in
den Manifestationen von Medien (Mittlern), unter Hinweisung
auf orientalische Lehren, ja sogar auf vermeintliche
Andeutungen der hu Schrift. Julius Meurer jedoch
sucht sie auch philosophisch zu begründen m seiner unstreitig
geistreich-frappanten Schrift: „Spiritisch-philosophi-
sche Reflexionen über den Menschen-Geist*4 (Leipzig, Hart-
knocky 187J) und zwar in so umfassender Weise, wie kein
Anderer, Der Verfasser berücksichtigt diese Schrift gar
nicht und scheint also die Grundlage der weltumfassenden
*) Die Wunder gehören jedenfalls in das Gebiet des Unbegriffenen,
obgleich nicht alles Unbegriffene als Wunder angesprochen werden
kann, denn von vielem noch Unbegriffenen ist zu erwarten, dass es
bei weiterer Forschung begriffen werde. Aber nicht von allem Unbegriffenen
kann das Begreifen erwartet werden, wie denn Coli nur
von Colt absolut begriffen werden kann, wie denn auch der Akt der
Weltschöpfung Cottes unbegreiflich bleibt, und wie denn sogar alle
und jede Erkenntniss bedingt und somit begrenzt ist, weshalb uns
das innerste Wesen aller Dinge und nicht weniger das „Wie** ihres
Seins und Wirkens unergründlich oder unausgründbar bleibt. Nennen
wir das Unausgründbare Wunder, so ist der Wunderglaube unabtrennbar
vom Gottesglauben, so wie Gottesleugnung Wunderleugnung
ist oder doch mit ihr endet. Daran ändert sich auch nichts, wenn
wir nie im Stande sein werden, eine genauste Grenzlinie zwischen
dem Erkennbaren und dem Unerkennbaren, dem Ergründlichen und
Unergründlichen zu ziehen, woraus nur unsere Berechtigung zu folgern
ist, überall über die jeweiligen Grenzen unserer Erkenntniss binaus-
zu&chr<4ten zu tieferer Erkenntniss, wenn wir auch wissen, dass wir
überall zuletzt auf das Unergründbare stossen müssen.
**) Vergleiche des Verfassers: „Diemystischen Erscheinungen der
menschlichen Natur", 2. Aufl. II, 451-468.
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