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Christian Keimers: Bahn frei! 69
geneigt, ähnlich die kritische Aufgabe zu umgehen. So wie
Dr. Carpenter das Medium im eignen Zimmer, mit Spiegeln
ausgefüttert, in der Mache haben wollte, so wünschte Prof.
Virchow eine Mausefalle von Bedingungen zu construiren,
welche zwischen den Zeilen lesen lässt, dass er alle anderen
Collegen nicht für ganz zurechnungsfähig hielt. Wie sonderbar
! anstatt ruhig die vom Medium gestatteten Bedingungen
gewähren zu lassen und dann die Bummel der vorangegangenen
Beobachter blosszulegen, (wenn sich der „modus
operandi" daraus ableiten lässt), hascht man in der Verlegenheit
nach Maassregeln, welche möglicherweise die zarte
und doch so gewaltige Kraft unterdrücken möchten, und
freut sich des Applauses, wenn das Medium zurückgescheucht
wird, — das Gelachter nicht ahnend, welches die Nachwelt
über diese thörichten Bocksprünge der bedrängten wissenschaftlichen
Grössen erheben muss! Die Opposition der
Tagespresse und Feuilletonritter vom Gänsekiel ärgern mich
jetzt nicht mehr; im Gegentheil seit ich die weite Ökonomie
der Kräfte im Universum erkenne, sehe ich auf solche
Dämme, gegen die drohende Ueberfluthung neuer Einströmungen
der Erkenntnis« aufgerichtet, mit einer gewissen
Beruhigung, weil den Pöbel dort beschäftigt zu finden, anstatt
die besseren Anlagen zu stören. Leute, die der prosti-
tuirten, feilen Tagesliteratur huldigen, nützen uns nichts,
und Bekehrungsversuche dorthin wären nur unverantwortliche
Kraftvergeudung. Für Viele, vielleicht die Meisten,
ist die spirituelle Kenntniss, durch unwiderlegbare Experimente
gebieterisch eingreifend, geradezu ein Unglück, wenn
plötzlich überliefert, als zu schroff die bezahlte Schulweisheit
verhöhnend. Selbst der Forscher in einer speciellen
Bahn des Wissens sollte ungestört bleiben, bis er seine
Mission vollendet hat und sich nach neuer Kunde sehnt.
Wäre es Recht, Jemanden, der in einem Tunnel zu thun
hat, alle Augenblicke ms freie Sonnenlicht zu führen, seine
Augen zu blenden und ihn im Werk zu stören? — Daher
dürfen wir dem Geschnatter der Tagesblätter nicht mehr
Gehör schenken, als zur Regulirung absichtlicher Entstellungen
und Lügen gehört, (allerdings schon etwas), und
was und wann wir von der Seite zu hoffen haben, kann
ich am besten durch Citirung eines Gesprächs mit einem
Herausgeber einer Zeitung in Manchester geben. Ich
fragte: — „Glauben Sie nicht, dass man jetzt schon wagen
dürfe, dem Publikum die Augen zu öffnen und die echte
Seite aufzudecken?" — „Du lieber Himmel!" fiel er hastig
ein, „man würde uns sofort die Bude einschmeissen und
schreien, die sind auch verrückt geworden!" — „Freilich",
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