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158 Psychische Studien. V. Jahrg. 4. Heft. (April 1878.)
lieh die Erscheinung ihres seit einiger Zeit verstorbenen
Cousin's, welcher sich auf ein Pferd stürzte und diess im
Laufe aufhielt. In demselben Augenblicke näherte sich der
Wagen einer Kreuzung von Strassen, und durch die quer
durchgehende kam ein wildgewordenes Pferd, — die Zügel
zwischen den Zähnen, in vollem Lauf, — doch wie durch
Verzauberung hielt es plötzlich still in dem Moment, wo
es sich auf Annans Wagen losstürzen wollte. Niemand
konnte diess Stillstehen begreifen, welches durch gar nichts
Aeusserliches hervorgerufen war. Anna war eine fromme
und vollkommen aufrichtige Person, und von einer Bescheidenheit
ohne Gleichen; es ist niebt möglich, an ihren
Worten zu zweifeln. Ich kann weiter keine Probe der
Wahrhaftigkeit dieser Erscheinung geben, aber es ist gewiss
, dass Anna sie sah, bevor sie die ihr nahende Gefahr
kannte. Selbst wenn wir diese Sache nur so auffassen, wie
sie sich uns darbietet, — ist es nicht ein grosser Trost, zu
denken, dass unsichtbare Freunde über uns wachen und
unser Leben beschützen?
Anna verheirathete sich später an einen ehrenwerthen
Professor der Musik, Sie selbst gab auch Musik- und
Sprachunterricht. Ihre Bekanntschaften waren die verschiedenartigsten
, und sehr ausgebreitet; sie wurde von
allen ihren Bekannten geliebt und besonders ihrer Aufrichtigkeit
wegen hochgeschätzt Sie starb als ein Opfer
ihres Eifers für Hülfeleistung der Kranken — geliebt, geehrt
und beklagt. Aber für die Spiritualisten, die sie gekannt
haben, ist es ein Trost, sie dereinst jenseits wiederzufinden
.
2) Jacob Lorbeer,
Im Anfang dieses Jahrhunderts, in der Umgebung von
Marburg, wurde Jacob Lorbeer als ein Kind armer Eltern
geboren. Schon in früher Jugend Waise, wäre er beinahe
durch eine Feuersbrunst umgekommen, welche das einzige
Erbtheil seines verstorbenen Vaters, ein kleines Haus, verzehrte
.
Von gutmüthigen Nachbarn aufgenommen, entging er
dem Elend durch deren Wohlthätigkeit. Man nährte und
kleidete ihn, und schickte ihn zur Schule; aber Schreiben
und Lesen war ihm antipathisch. Es war die Musik, auf
die er alle seine Kräfte verwendete; er fing an, leidlich die
Violine zu spielen. Als er eines Tages durchs Feld ging,
sah er eine Gestalt auf sich zukommen, in der er einen
Jugendbekannten erkannte, dessen Leichenbegängniss er
vor 2 Jahren beigewohnt hatte. Er wollte entfliehen, denn
seine Angst war gross, — aber sein Freund hielt ihn zurück
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