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164 Psychische Studien. V. Jahrg. 4. Heft. (April 1878.)
seiner ponderablen Masse. Wir betrachten dieses Attribut
nach den uns bis jetzt bekannten Erfahrungen als unveränderlich
. Treten dagegen Erscheinungen ein, welche dennoch
dieses Attribut als veränderlich nachweisen, so müssten
wir unsere Vorstellungen von der Identität eines Körpers
derartig verallgemeinern, dass wir gleichzeitig jene beobachtete
Veränderung der Masse mit der bisher wahrgenommenen
Un Veränderlichkeit widerspruchsfrei vei einigen könnten.
Zöllner befindet sich mit dieser Anschauung in voller Ueberein-
stimmung mit den Principien unserer Naturerkenntniss,
welche der berühmte Mathematiker Bernhard Riemann in
folgenden Worten ausgesprochen hat: —
„Naturwissenschaft ist der Versuch, die Natur durch
genaue Begriffe aufzufassen. Tritt dasjenige ein, was nach
diesen Begriffen nothwendig oder wahrscheinlich ist, so
werden sie dadurch bestätigt, und auf dieser Bestätigung
durch die Erfahrung beruht das Zutrauen, welches wir
ihnen schenken. Geschieht aber etwas, was nach ihnen
nicht erwartet wird, also nach ihnen unmöglich oder
unwahrscheinlich ist, so entsteht die Aufgabe, sie so zu ergänzen
oder, wenn nöthig, umzuarbeiten, dass nach dem
vervollständigten oder verbesserten Begriffssystem das Wahrgenommens
aufhört, unmöglich oder unwahrscheinlich zu
sein. Die Ergänzung oder Verbesserung des Begriffssystems
bildet die „Erklärung" der unerwarteten Wahrnehmung.
Durch diesen Prozess wird unsere Auffassung der Natur
allmählig immer vollständiger und richtiger, geht aber zugleich
immer mehr hinter die Oberfläche der Erscheinungen
zurück." (S. 235.)
Zöllner geht Seite 272 seiner „Wissenschaftlichen
Abhandlungen" dazu über, eine Anwendung der höheren
Raumanschauung auf die Theorie der Verschiingung einer
allseitig biegsamen Linie zu machen. Er sagt: — „Denken
wir uns als Repräsentanten einer solchen Linie einen Faden
ab, so stellt derelbe in seinem gespannten Zustande ein
Raumgebiet von einer Dimension dar (a____&); wird
der Faden dergestalt gebogen, dass seine Elemente bei der
Biegung stets in ein und derselben Ebene bleiben, so ist
zur Ausführung der Operation ein Raumgebiet von zwei
Dimensionen erforderlich. Man kann dann dem Faden die
folgende Gestalt geben a_£_b, wobei alle Elemente
desselben, wenn sie unendlich dünn sind, in einer Ebene,
d. h. in einem zweidimensionalen Raumgebiete liegen. Soll
der biegsame Faden ohne Zerreissung wieder in die ursprüngliche
Gestalt einer geraden Linie zurückgebracht
werden, und zwar so, dass während dieser Operation
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