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256 Psychische Studien. V. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1878.)
tenden, routinirten, überseeischen Schnellfingerer etwa die
Pfiffigkeit zutraute, ehrlichen Leuten Dunst vor die Augen
und Liebhabern des Seltsamen ein paar Knoten in den
Faden ihres Denkens zu machen." (S. 2.) Unser studentischer
Gewährsmann weiss das Alles von vorn herein, a
priori, schon viel besser als ein anerkannter Professor der
Astrophysik, den er durch seine Schmähschrift vom Katheder
in pöbelhafter Weise hinunterdrängt, um sich für eine
Stunde hinauf zu stellen und seine nebligen Begriffe vom
himmlischen Wirthshaus seinen Commilitonen zu dociren.
Als alberner Spass mag's allenfalls gelten! Aber eine moralische
Ungereimtheit ist und bleibt es für einen Studenten doch,
Fastnacht ist längst vorüber, und wir leben zur Leipziger
Ostermesse zwischen Ostern und Pfingsten, wo der heilige
Geist der besseren Erleuchtung, der Geist der Wahrheit,
über alle bloss blindgläubigen Nachbeter einer weltumgestaltenden
Lehre, und wären es auch die Grund-Principien
unserer modernen Natur- und Geistes-Wissenschaft, sich neu.
ausgössen soll, Dass unser Studiosus diese Principien nicht
selbstdenkend aus Selbsterfahrung, sondern bloss nachbetend
inne hat, wollen wir ihm in aller Kürze nachzuweisen suchen.
Wenn er Eingangs seiner Hauptbelehrung am Schlüsse
Seite 2 sagt: — „Spiritismus im weitesten Sinne, das heisst
Aberglauben an das Hineinragen von Uebernatürlichem in's
Natürliche, der von dem religiösen Glauben an das Vorhandensein
einer übernatürlichen Welt ausserhalb der natürlichen
ganz verschieden ist, Spiritismus hat es immerdar gegeben
und wir werden ihn nicht ausrotten,u — so begeht er mit
allen diesen zusammengewürfeiten Behauptungen schon vornherein
eine Menge sichtlicher Verstösse, welche seine totale
Unkenntniss des Gegenstandes verrathen. Erstens ist Spiritismus
im weitesten Sinne Spiritualismus, d. h. nicht Aberglaube
, sondern Geistglaube. Zweitens ist Aberglaube ein
Zuviel-Glauben dessen, was noch nicht den Sinnen exact bewiesen
ist, im Gegensatz zum Skeptizismus oder zur chronischen
Zweifelsucht, welche stets zu wenig glaubt; Studiosus
hat aber nicht bewiesen, das der exacte Spiritismus, der
auf genau beobachteten und gut bezeugten Experimenten
beruht, ein solcher Aber- oder Zuviel-Glaube wäre „an das
Hereinragen von Uebernatürlichem in's Natürliche", wobei
er uns drittens keine genaue Definition giebt, was er unter
Natürlichem und Uebernatürlichem und was die Spiritisten
darunter verstehen. Er sagt nur, „dieser Aberglaube sei
von dem religiösen Glauben an das Vorhandensein einer
übernatürlichen Welt ausserhalb der natürlichen ganz
verschieden," bedenkt aber viertens nicht, dass er so eben
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