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312 Psychische Studien. V. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1878.)
Menschen) Geist sich von seinem Körper losreisst — und
dann wieder freiwillig, zu Verfolgung der Zwecke, die er
durch ihn erst ausführen möchte, in denselben zurückkehrt."*)
Im Jahre 1806, in der ,. An Weisung zum seligen Leben,"
wird ebenfalls die Unvergänglichkeit der geistigen Individuen
gelehrt, ohne dass Ausnahmen angedeutet wären.**) Später
im Jahre 1810 in den ,,Thotsachen des Bewusstseins" finden
wir Fichtes Unsterblichkeitslehre in einer veränderten, von
da an aber unverändert gebliebenen Form ^ or. Die wesentlichen
dort vorgetragenen Gedanken können in Folgendem
zusammengefasst werden:
Die Individuenwelt ist im Gebiete der Erscheinung
niemals abgeschlossen, sondern es müssen immerfort neue
Individuen entstehen. Es ist eine fortgehende, sich vermehrende
und in der Erscheinung niemals abzuschliessende
Eeihe von Individuen nothwendig. Das Fortrücken der
Erscheinung des Endzweckes zu höherer Klarheit ist bedingt
durch die Erfüllung der früher sichtbar gewordenen Aufgabe.
In der sittlichen Ordnung sind daher Weltalter durch Weltalter
bedingt, und die fortrückende Offenbarung des Endzwecks
zu höherer Klarheit bildet die Zeit in höherein
Sinne, die Folge das Weltalter. Da aber der Endzweck
des Lebens in seinem absoluten Sein nothwendig unendlich
und folglich das Leben selbst unendlich ist, so muss der
ersten Welt eine zweite, dieser eine dritte und so in's
Unendliche fort folgen. Der Endzweck des Lebens muss
sich also sichtbar machen als eine unendliche Reihe aufeinander
folgender Welten. Die geistigen Individuen bleiben
dieselben und gehen durch die unendliche Reihe aller Welten.
Nur die, welche den sittlichen Willen ijicht in sich erzeugt
haben, dauern nicht fort. Sie sind blosse Erscheinungen
dieser ersten Welt, nach den Gesetzen derselben, und vergehen
mit dieser Welt.***) Jede vorhergehende "Welt ist
die Bedingung der Möglichkeit des Seins der folgenden.
Das Leben vermag nur durch seine vollendete Entwicklung
auf der ersten Stufe fortzugeben zur zweiten, und jede vorhergehende
ist, weil die ihr folgende sein soll. In die zweite
Welt schon, vielmehr noch in die unendliche Reihe der
*) Ebendaselbst I, 414, 415. Später (1806) äussert Fichte sich
anders. S. Werke V. 572*
**) Fichte1 s Werke, V? 408, 412, 413, 521, 530, 531, 541, 594.
***) Die geistigen Individuen entspringen also nach Melde unmittelbar
aus der Natur, obgleich alle Natur nur gottgewirkte Erscheinung
in den Geistern ist9?? Und die geistigen Wesen können wie Naturerscheinungen
vergehen, (wenn sie „zufällig44 nicht das Gute, Göttliche
wollen) ?l
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