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372 Psychische Studien. V. Jahrg. 8. Heft. (August 1878.)
„Lessing suchte die Möglichkeit einer Entwickelung des
Ich, das er von der Seele nicht trennte, in der Vermehrung
der Sinne. Sei sie vorläufig mit fünf ausgestattet, so könne
ihr später eine grössere Zahl zu Diensten stehen; doch bemerkt
ein kurzes Fragment in seinen nachgelassenen Papieren:
es sei thöricht, mit der Sorge um künftige Zustände den
gegenwärtigen zu verkümmern. Heilenbach denkt an einen
vierdimensionalen Raum, er hält einen „mehrmaligen
Wechsel des Dimensionalzustandes " der Seele für „sehr
wahrscheinlich" und bekommt einen unerwarteten Bundesgenossen
an Prof. Zöllner, der in seinen neuesten wissenschaftlichen
Abhandlungen Versuche beschreibt, die er in
Gegenwart ehrenwerther Männer und Bürger Leipzigs, mit
Hülfe des amerikanischen Mediums Mr. Henry Slade zu
Leipzig am 17. December 1877, Vormittags 11 Uhr, gemacht
bat. In einen festen Bindfaden, dessen beide Enden
zusammengesiegelt von Professor Zollner auf einem Tisch
gehalten wurden, schlang unter dem Tische Mr. Slade
Knoten, die nur „ein intelligentes "Wesen, welches willkürlich
vierdimensionale Biegungen und Bewegungen mit dem
Faden vornehmen könnte, ohne Lösung des Siegels" hervorzubringen
vermochte. Unter den Zeugen befand sich „auch
Einer, dessen Name mit unvergänglichen Zügen und goldenen
Lettern in die Annalen der deutschen Naturwissenschaft
eingetragen ist," und Zöllners Autorität wird Niemand gering
achten; die Thatsache, dass Mr. Slade in einen glatten
Bindfaden seltsame Knoten schürzte, ohne dass die anwesenden
Herren wahrnehmen konnten, welches Verfahren er
dabei unter dem Tisch einschlug, die Thatsache steht unanfechtbar
fest. Mehr aber nicht, und auch die Scharfsichtigsten
und Klügsten sind dem Irrthum unterworfen,
wenn es sich um die Auslegung und Erklärung der con-
statirten Thatsachen handelt. Wohl giebfc es Dinge, von
denen unsere Weisheit nichts träumt, nur träumt sie auch
häufig Dinge, die es nicht giebt. Vierdimensionale Bewegungen
, ausgeführt im dreidimensionalen Raum? Wollte
Jemand dreidimensionale Bewegungen in der blossen Ebene,
dem zweidimensionalen Baum machen, so würde Professor
Zöllner nicht anstehen, das für unmöglich zu erklären, weil
es contra hypothesin wäre; ist nicht das Gleiche der Fall
bei der vierdimensionalen Bewegung im dreidimensionalen
Raum? Angenommen aber, die Seele wäre ein vierdimensio-
nales Wesen, das sich in den uns bekannten dreidimensionalen
Körper während unserer Lebenszeit hineinklemmte, — wie
erhielten wir davon Kunde? Durch unerklärte, unter dem Tisch
gemachte Knoten? Durch anormale Leistungen krankhaft
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