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410 Psychische Studien. V. Jahrg. 9. lieft. (September 1878.)
widerlegt, dass wir nicht erklären können, woraus diese
Substanzen bestehen. Alles, was wir von irgend einer
Substanz, sie sei materiell oder geistig, wissen können, ist
die nothwendige Bedingung ihrer Existenz (Daseins) und
ihrer Eigenschaften, die wir aber nur durch ihre Beziehungen
zu uns selbst erkennen können; der Blinde z. B. kann sich
keine Vorstellung vom Lichte machen, denn es steht in
keiner Beziehung zu ihm, er hat kein Organ, was dadurch
berührt wird. — Dasselbe gilt vom Geist, den wir mit
unsern Sinnen nicht wahrnehmen können.
Wir gehen nun einen Schritt weiter und sagen, dass
keine Existenz möglich ist ohne eine Form; wenn es Geister -
wesen giebt, müssen sie Substanz und Form haben, es kann
keine Substanz ohne Form existiren, es ist unmöglich, sich
ein Ding ohne Form zu denken. Der Begriff von Vorstellung
bedingt eine Form, Geist sowohl als Materie
müssen Substanz und Form haben, denn beide sind nothwendige
Erfordernisse jeder Existenz. Der Geist steht nicht
im Widerspruch zur Materie, er ist vielmehr deren Vervollständigimg
. Dies ist der Punkt, wo so viele Philosophen
und Christen in einen Irrthum verfallen, der nicht nur für
alle Wissenschaft, insbesondere aber für die Erkenntniss des
geistigen Wesens verhängnissvoll ist.
Die gaiize Bibel bestätigt das Dasein eines göttlichen
Wesens, einer Geisterwelt und der Unsterblichkeit des
Menschen. Diese Lehre bildet den Grund der heil. Schrift
und ist mit ihr verwoben, sie wird aber selten in bestimmter
Form gegeben; es wird uns nicht gesagt, wo die Geisterwelt
ist, noch werden wir deutlich beiehrt, in welcher Gestalt
wir sie uns vorstellen sollen. Auch über die Verhältnisse
der Geister zu einander, ihre Lebensweise, giebt die Bibel
wenige und nur bildliche Andeutungen; dennoch finden wir
in ihr die grossen Wahrheiten bestätigt, dass die Geisterwelt
eine wirkliche Welt ist, dass Geister als wirkliche
Wesen existiren und je nach ihrem Charakter glücklich
oder unglücklich sind. Die Art, in welcher die heil. Schrift
dieser Dinge erwähnt, lässt dem Verstand und der Einbildungskraft
des Menschen viel freien Spielraum; dadurch
sind eine Menge von Theorien entstanden, die sowohl den
gröbsten Materialismus als ganz unbestimmte aetherische
Vorstellungen vertreten. Diese Theorien, meist auf einzelne
Stellen der Schrift begründet, sind je nach der Phantasie
und den Fähigkeiten ihrer Vertreter ausgeführt worden.
So ist z. B. der Begriff der Hölle als eines feurigen See's,
in den die Verdammten gestürzt und auf dessen Wogen sie
umhergeworfen und gequält, aber nie verbrannt werden,
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