http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1878/0426
416 Psychische Studien. V. Jahrg. 9. Heft. (September 1878.)
darauf einwirken könnten; der schwere Schleier der Materie
muss erst gehoben werden, bevor Geister und geistige Dinge
uns Menschen sichtbar werden können. Dasselbe gilt von
den übrigen Sinnen: ein Mensch in gesundem festem Schlafe
weiss nicht, dass er in der Welt lebt; wecke ihn auf, und
er wird sich seines Daseins auf der Welt bewusst werden;
ebenso sind auch unsere geistigen Sinne im Schlaf, und erst
wenn sie erwacht sein werden, wird es uns möglich sein,
die Geisterwelt um uns wahrzunehmen. Aber es ist auch
nicht nothwendig, dass wir sie sehen, um die Ueberzeugung
ihres Daseins zu gewinnen. Sehen wir doch niemals irgend
eine Ursache oder Macht in ihrer innersten Form, in ihrem
Anfang: wer sah z. B. jemals Auziehuugskraft ausser in der
Gestalt ihrer Wirkungen? Kein Mensch dieser Welt sah
jemals mit seinen natürlichen Augen das wahre Innere
menschlicher Wesen; denn nur der Materialist glaubt, dass
der materielle Leib der Mensch selbst ist, und dieser Leib
ist doch alles, was wir mit unseren leiblichen Augen vom
Menschen sehen können, nicht das wirkliche menschliche
Wesen; das wohnt inwendig und kann sich nur durch den
Schleier des Körpers kund geben. Alles, was wir sehen, ist
nur die Hülle des Geistes; wir wissen, der Mensch ist darin,
denn der Körper kann sich nicht durch eigne Kraft bewegen,
er ist, wenn der Geist ihn verlassen hat, so hülflos wie
jeder andere unbelebte Gegenstand dieser Erde. Seine
wunderbare Organisation giebt ihm kein Leben, die Organe
des Körpers sind nur Instrumente, welche die unendliche
Weisheit und Güte Gottes uns verliehen hat, die Seele zu
befähigen, ihren Zweck in der materiellen Welt zu erfüllen.
Allein der Mensch und sein materieller Körper sind in
solch vollkommener Uebereinstimmung, dass wir verleitet
werden zu sagen: wir sehen den Menschen, wenn wir den
Körper sehen; und es ist das natürlich, denn wir wissen,
dass der Mensch im Körper ist, dass er fühlt, sieht, hört,
spricht, obgleich wir sein wirkliches Selbst nicht sehen
können. In derselben Weise ist auch die Geisterwelt in
der materiellen Welt bildet die sie bewegende Kraft. Die
Planeten bewegen sich in ihren Bahnen durch geistige Kraft,
wir nennen sie Anziehungskraft, das ist eben nur der Name
für die Wirkung. Auch das Thierreich ist nach dem ihm
entsprechenden Geisterreich gebildet, und die geistigen Kräfte,
welche es schaffen und erhalten, sind stets thätig und gegenwärtig
. In der That besteht ja in der materiellen Welt
ein beständiges Wachsen und Erschaffen. Wo man aber
Bewegung, Wechsel und Wachsthum sieht, kann man mit
demselben Hechte voraussetzen, dass geistige Kräfte thätig
<
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1878/0426