http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1878/0431
Graf Poiiinski's Leichenbegängniss. 421
Graf Pouiaski's Leichenbegängniss.
K. "Wh. Leipzig, 20. Juni. Vor dem Hause Zeitzer
Strasse 20 c sammelte sich gestern Nachmittag der Conduct,
welcher dem f Adolf Grafen Poninski das letzte Geleite
geben sollte. Im Trauerhause sah man höhere Geistliche
und Professoren Mitglieder des Reichsoberhandelsgerichts,
sowie des königlichen Bezirksgerichts, Freunde und Bekannte
des Verstorbenen aus allen Classen der Gesellschaft, sowie
eine Anzahl Mitglieder der hiesigen beiden Vereine, deren
Organ die Zeitschrift „Psychische Studien" ist. Eine Trauerversammlung
von so erlesener und doch auch wieder so
allgemeiner Art gab an sich redendes Zeugniss von dem
Ansehen und der Liebe, die der Verklärte in umfassender
Weise bei Lebzeiten genoss. — Im Trauerhause am schlicht
aufgebahrten Saikophage vor der noch im Tode schönen
Greisengestalt, sowie auf des Friedhofs letzter Umgrenzung
an der offenen Gruft, sprach Diakonus Dr. phil. v. Criegern.
Der städtische Funeralsängerchor leitete an letzterer Stelle
die Trauerfeier ein und beschloss sie. Dr. v. Criegern knüpfte
seine Grabrede an eine Stelle im letzten Oapitel des letzten
Buchs der heiligen Schrift (Neues Testament, Offenbarung
Johannis 22, 4—5) an, wo „von der gewissen Freude des
ewigen Lebens" gesprochen und namentlich gesagt wird:
„Und wird keine Nacht da sein; . . . denn Gott der Herr
wird (seine Knechte) erleuchten, und sie werden regieren
von Ewigkeit zu Ewigkeit." Redner war mit dem Verklärten
näher bekannt, hatte über dessen Studien und Ansichten
oft mit ihm gesprochen und disputirt und trotz grosser
Meinungsverschiedenheit sich mit ihm immer schliesslich
auf dem sittlich-christlichen Boden wieder zusammengefunden.
Der Verstorbene war in den letzten Jahren seines Lebens
ein eifriger Forscher gewesen. Was er erstrebt, ist ihm
nunmehr geworden: er ist aus der Nacht des Lebens in
das Land des Schauens eingegangen . . . Aber nicht nur
ein ernster, redlicher Forscher, auch ein nach Heiligung
unentwegt ringender, strebender, guter Mensch, ein Edelmann
in des Wortes schönstem Sinne war er. „Ein guter
Mensch in seinem dunklen Drange Ist sich des rechten
Weges wohl be^jsst." Wer ihm nahe kam, liebte, verehrte
ihn. — Lehrer Gesell sprach am Schlüsse noch einige
aus vollem trauer- und dankerfülltem Herzen überquellende
Worte, die den Verstorbenen als Samariter der Armen und
Elenden ergreifend schilderten. — Dann senkten sich reiche
Blumen- und Erdspenden auf den Sarg mit seinen Kränzen
und Schleifen, die Gruft schloss sich, und Gottes Sonne
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1878/0431