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456 Psychische Studien. V. Jahrg* 10. Heft. (Octoher 1878.)
wirkenden absoluten Persönlichkeit zugleich die Unsterblichkeit
des menschlichen Geistes. Aber in der Schrift
über die menschliche Willensfreiheit führte er die Unsterblichkeitslehre
nicht weiter aus, wohl aber bald darauf in
den Stuttgarter Privat Vorlesungen (18J0) und etwas später
(1816—1817) in dem Gesprächsfragment: „Ucber den Zusammenhang
der Natur mit der Geisterwelt" > welches in
einer Separat-Ausgabe unter dem Titel: „Clara etc." erschienen
ist.*) Zuletzt behandelte er dasselbe Thoma in der 32.
Vorlesung seiner „Philosophie der Offenbarung".
In den Stuttgarter Privatvorlesungen**) geht Schelling
zunächst von dem Gedanken aus, dass das System der
"Welt nur als ein an sich, namentlich im göttlichen Verstände,
bereits vorhandenes gefunden (nicht erfunden) werden
könne. Das zu findende Weltsystem müsse als Weltsystem
ein Princip haben, das sich selbst trage, das in sieh und
durch sich selbst bestehe, das nichts (z. B. die .Natur)
ausschliesse und eine Methode der Entwicklung und des
nichts überspringenden Portschreitens habe. Das Princip
seines Systems sei in verschiedener Weise ausgedrückt
worden: als Princip der absoluten Identität (nicht Einerlei-
heit), der organischen Einheit aller Dinge, bestimmter als
absolute Identität des Realen und Idealen, als der untergeordneten
Formen des eigentlichen Ur-Wesens, und endlich
geradezu als das Absolute oder Gott. Die Philosophie
beweist am Anfang nicht das Dasein Gottes, sondern bekennt
, dass sie ohne ein Absolutes oder Gott gar nicht
vorhanden wäre. Die ganze Philosophie vielmehr ist eigentlich
der fortgehende Beweis des Absoluten. Das Urwesen
muss aber nicht nur in sich, sondern auch ausser sich
absolute Identität des Realen und Idealen sein, d. h. es
muss als solche sich offenbaren, sich aktualisiren. Nun
kann aber alles nur in seinem Gegentheil offenbar werden,
also Identität in Mchtidentität, in Differenz, in Unterscheidbarkeit
der Principien. Gott ist nicht ein gleich von
Anfang Fertiges und unveränderlich Vorhandenes. Er geht
von sich selbst aus, um zuletzt wieder rein in sich selbst
zu endigen. Ist er ein ganz lebendiges, persönliches Wesen,
so muss in ihm neben dem ewigen Sein auch ein ewiges
Werden sein.
*) Clara oder Zusammenhang der Natur mit der Geisterweit.
Ein Gespräch von Schelling. Separat-Ausgabe. Zweite Auflage. Stuttgart,
Cotta, 1865. — Von nahe verwandtem Inhalt ist das geistreiche Gespräch
: „Cacilia oder von der Wahrheit des Uebersinnlichen" von
Hugo Delff. Husum, (7. R Delff, 1867.
**) Schellings S. Werke I, 7, 417—484.
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