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Franz Hoffmann: Schelling's Unsterblichkeitslebre. 457
"Weiter können wir Schetting hier in der Entwickelung
seiner persönlichkeitspantheistischen Ideen nicht folgen und
setzen nur da wieder ein, wo er den Menschen aus seinem
Gott-Welt-Process hervorgehen lässt. Die ganze (endlich
gewordene, zeitlich-räumliche) Natur ist Schetting nämlich
die Staffel, die Unterlage der geistigen Welt. Nach ihm
ist es offenbar, dass das physische Leben bis zum Menschen
fortschreitet, dass eine stetige Folge von Erhebungen und
Steigerungen bis zu ihm geht, dass er der Punkt ist, wo
das geistige Leben eigentlich aufgeht, er das Geschöpf, in
welchem das Leibliche als sanfte Unterlage sich dem
Geistigen lügen und eben dadurch zur Beständigkeit erhoben
werden sollte, nicht nur in ihm selber, sondern wegen des
stetigen Zusammenhangs der Werke der Natur auch in
der übrigen Natur. So wie aber der Mensch, anstatt sein
natürliches Leben dem göttlichen unterzuordnen, vielmehr
in sich selbst das zur relativen Unthätigkeit bestimmte
— das natürliche, eigene — Princip aktivirte, zur Thätig-
keit erweckte, war auch die Natur wegen des nun verfinsterten
Verldärungsprincips genöthigt, eben dieses Princip
in sich zu erwecken, und nolens volens eine von der geistigen
unabhängige Welt zu sein. Dass etwas der Art vorgegangen,
davon überzeugt uns die jetzige Gestalt der Natur — die
verwischte Gesetzmässigkeit, die Macht des hineingekommenen
Zufalls, die Unruhe der Natur bei ihrer Geschlossenheit
— und besonders die Gegenwart des Bösen, der Anblick
der moralischen Welt Die ganze Natur, wie sie
jetzt ist, ist nun nur der Vorhof des höchsten Lebens geworden
, der Process, der in der Natur begonnen hatte,
fängt nun im Menschen als Geist aufs ^eue an. Er muss
sich wieder aus der Natur emporarbeiten, aus der Finster-
niss des Bösen, des Irrigen, des Verkehrten das Licht des
Guten, der Wahrheit und des Schönen hervorrufen. Da
nun die Natur durch Schuld des Menschen die organische
Einheit nicht erreichen konnte, so erhob jetzt der An-
organismus sein Haupt. Jetzt scheint alles auf die Erhaltung
der äussern Grundlage des Lebens gerichtet. Alles,
auch das Edelste, was mit ihr in Collision kommt, geht zu
Grunde, und das Beste muss gleichsam mit dieser äussern
Gewalt in Bund treten, um tolerirt zu werden. Freilich,
was durch diesen Kampf sich hindurchschlägt, was gegen
diese Uebermacht des Aeussern sich dennoch als ein Göttliches
behauptet, das ist wie durch das Feuer bewährt, in
dem muss wirklich eine ganz göttliche Kraft sein. Nach
einer Betrachtung der Menschheit in ihren äussern Schicksalen
und Versuchen, nach Verlust der Einheit mit Gott,
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